Als Juden verfolgt, verjagt, ermordet - Weitere Verlegung von Stolpersteinen in Magdeburg am 10. Oktober
Mit der nunmehr 38. Verlegung von Stolpersteinen am 10. Oktober gedenkt die Stadt Magdeburg erneut ihrer verfolgten, verjagten und ermordeten jüdischen Mitbürger. Es sind 19 Namen, an die damit erinnert werden soll und wie die städtische Arbeitsgruppe „Stolpersteine für Magdeburg“ mitteilt, wird Gunter Demnig, der Initiator der Stolpersteine, die Steine verlegen. Zu der Verlegung werden Angehörige der Familie Rosenheck aus den USA anreisen: Orlie und Gil Kraus, die Kinder von Gitta Tova Rosenheck, Gils Ehefrau Cynthia und die gemeinsame Tochter Hana.
Erinnert wird an:
9:00 Uhr |
Alwine Krone, geb. Ellenburg |
9:45 Uhr |
Emmy Meyer, geb. Reiss gesch. Mossgraber und Ernst Meyer |
10:15 Uhr |
Eva Lewniowski, geb. Drucker verw. Honik und Albert Lewniowski |
10:40 Uhr |
Anna Chana Rosenheck, geb. Feigenbaum, Emanuel Meir Rosenheck, Gitta Tova Rosenheck, Harald Zwi Rosenheck und Max Moshe Rosenheck |
11:10 Uhr |
Albert Hirschland |
11:40 Uhr |
Hella Lerner, Johanna Lerner, geb. Lastmann, Mitman Leo 'Luerowicz' Lerner und Ruth 'Jackie' Lerner |
12:15 Uhr |
Agnes Hanna Glogowski, geb. Pomplitz, Eva Glogowski, Helmut Glogowski und Josef Ernst Glogowski |
Wer waren die Menschen, an die erinnert wird?
Eva Lewniowski wird als Eva Drucker am 18. Oktober 1891 in Lemberg geboren. Ihre Eltern sind Marjem Drucker und Berl Hahn. Nach dem Besuch der Volksschule ist sie als Arbeiterin in einer Zuckerfabrik tätig. Am 17. Februar 1917 geht sie vor dem Feldrabbiner in Lemberg die Ehe mit dem Friseur Szlama Gidali Honik ein, schon am 9. Mai 1917 wird die gemeinsame Tochter Lea Charlotte geboren. 1919 verlässt die Familie Lemberg und verzieht nach Magdeburg, wo sie sich in der Jakobstr. 23 niederlassen. Bald darauf verlässt Szlama Honik die Familie und gilt fortan als verschollen. Eva Honik nimmt einen Handel mit Altmetallen und Lumpen mit einem Ladengeschäft Stefansbrücke 14 auf, wechselt allerdings bald zum Handel mit Obst, Gemüse und Südfrüchten mit einem Stand auf dem Alten Markt. Sie nimmt eine Beziehung zu dem Bankangestellten Albert Lewniowski auf, eine gemeinsame Tochter Ruth kommt am 26. Mai 1926 in Magdeburg zur Welt.
Albert Lewniowski ist am 13. Dezember 1890 in Altona, Feldstr. 63, Haus 1p geboren. Seine Eltern sind Bertha Lewniowski, geb. Alexander, geb. 3. Januar 1857 in Hamburg und der Schlosser und Gelbgießer Adolf Abraham Lewniowski, geb. am 12. März 1849 in Neu Sandez (heute: Nowy Sącz/Polen) in Galizien. Das Ehepaar hat am 21. Februar 1882 in Hamburg geheiratet, aus der Verbindung sind sieben Kinder hervorgegangen, Albert ist der Zweitjüngste. Er hat die Volksschule und anschließend das Gymnasium besucht, bald hat sich die Familie in Magdeburg in der Straßburger Str. 2 niedergelassen. Schon am 12. Januar 1919 verstirbt dort der Vater und wird auf dem Jüdischen Friedhof, Fermersleber Weg 2, bestattet (Sektion 3, Reihe 6, Grab 3). Im Verlauf der Bankenkrise 1931 verliert Albert Lewniowski seine Stellung als Buchhalter und Kassierer bei dem Bankhaus Nussbaum & Rothschild Alter Markt 12 und ist gezwungen, sich mit der Ausführung diverser privater Buchhaltungsarbeiten finanziell über Wasser zu halten, auch hilft er Eva Honik, indem er deren Buchführung übernimmt und am Markstand aushilft. Am 31. März 1933 stirbt auch die Mutter, die neben dem Vater bestattet wird.
Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten verschlechtern sich die Lebensbedingungen für Eva Honik und Albert Lewniowski eklatant: ihr wird das Halten des Markstandes verboten und sie ist gezwungen, den Straßenhandel mit Obst aufzunehmen, bevor ihr auch dieser untersagt wird. Ein Schicksalsschlag trifft das Paar als die achtjährige Tochter Ruth am 28. Januar 1935 in der Krankenanstalt Altstadt verstirbt.
Lea Honik, die ihre Ausbildung bei der Schuhfirma Wolff abgeschlossen hat, entschließt sich, die Stadt zu verlassen. Sie hält sich zunächst in Wilhelmshaven und Flensburg auf, ehe sie in Fischbach bei Augsburg in der Hachschara-Ausbildungsstätte Beth Hechaluz Aufnahme findet, um sich auf die Ausreise nach Palästina vorzubereiten. 1935 wird Szlama Honik mit Urteil des Landgerichts Magdeburg für tot erklärt und Eva Honik und Albert Lewniowski, gehen daran, ihre Heirat zu planen, die am 22. März 1938 stattfindet, Trauzeugen sind Abram Laib Szczupak und Ruben Rywen Lichtblum.
Doch schon Ende Oktober wird Eva Lewniowski Opfer der so genannten "Polenaktion", bei der Tausende im Deutschen Reich lebende Jüdinnen und Juden mit polnischer Staatsbürgerschaft verhaftet und an die polnische Grenze nach Bentschen/Zbąszyń verbracht werden. Sie kann allerdings zur Regelung ihrer Angelegenheiten nach Magdeburg zurückkehren. Albert Lewniowski hat in der Zwischenzeit fieberhaft Vorbereitungen für eine Ausreise aus Deutschland getroffen. Im Fragebogen der Oberfinanzdirektion für das Umzugsgut hat er am 15. Juni 1939 einstweilen als Umzugsziel Polen genannt. Mit der Prüfung des Umzugsgutes wird am 21. Juni der berüchtigte Obergerichtsvollzieher Otto Odemar beauftragt, der den Wert des Umzugsgutes auf 1.500 RM schätzt. Schon am 11. Juli meldet die ortsansässige Spedition Baumann, dass das Umzugsgut im Hamburger Freihafen deponiert ist, am 15. Juli meldet Albert Lewniowski, dass alle Kosten bis Antwerpen bezahlt sind und er Einreise nach Montevideo, Sydney oder Shanghai erwarte. Tatsächlich verlassen Eva und Albert Lewniowski Magdeburg Richtung Belgien, nachdem sie sich zuvor in Berlin noch mit der Tochter Lea treffen. Das Paar kann sich in Brüssel in der Rue de Moulinn 141 niederlassen, doch schon im Mai 1940 besetzen deutsche Truppen Belgien. Albert Lewniowski wird am 1. November in das Internierungslager Gurs in Südfrankreich deportiert, von dort am 6. August 1942 in das Sammel- und Durchgangslager Drancy bei Paris, ehe er am 10. August 1942 mit dem Convoi 17 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort vergast wird.
Eva Lewniowski verlässt Belgien 1948 Richtung Israel, wo die Tochter Lea inzwischen in Bat Jam südwestlich von Tel Aviv lebt. Sie erkrankt schon 1951 schwer und ist auf Pflege angewiesen. Sie stirbt am 4. April 1959 in einem Pflegeheim in Ramot Haschavim nordöstlich von Tel Aviv.
Max Moshe Rosenheck wird am 8. März 1893 in Kniażdwór in der Nähe von Kolomea im Kronland Galizien und Lodomerien geboren. Seine Eltern sind der Landwirt Hersch Rosenheck und seine Ehefrau Brane, geb. Hisler. Zur Familie gehören weitere acht Geschwister. Max besucht die Volksschule und absolviert anschließend eine Lehre in einem Delikatessengeschäft. Schon 1910 entschließt er sich die Heimat zu verlassen und in der Fremde, in Magdeburg sein Glück zu versuchen. Dort erhält er eine Anstellung in einem Abzahlungsgeschäft, bei Ausbruch des 1. Weltkrieges wird er allerdings zum 19. Landwehr-Regiment der k.u.k Armee eingezogen und gerät am 16. August 1916 in russische Kriegsgefangenschaft, die ihn nach Sibirien verschlägt und aus der erst am 6. August 1920 entlassen wird. Mit Zwischenstation im Lockstedter Lager gelangt er wieder nach Magdeburg. Dort ist er zunächst als Handelsvertreter unterwegs, ehe er 1923 ein Abzahlungsgeschäft für Konfektion und Wäsche in der Otto-von-Guericke-Str. 110 eröffnen kann. 1926 heiratet er die aus seiner Heimatgegend stammende Anna Chana Feigenbaum, geb. am 3. 1. 1900. Sie hat die Volksschule an ihrem Geburtsort Kolomea besucht, ehe sie mit ihren Eltern und dem Bruder Zigmund nach Frankfurt a.M. verzieht, wo die Familie in der Seumestr. 3 ansässig wird.
Die Geschäfte in Magdeburg laufen gut, Anna ist gleichfalls in Geschäft tätig, weil Max häufig auf Reisen ist, zwei Angestellte und drei Arbeiter können beschäftigt werden, ein Dienstmädchen hilft im Haushalt der 5-Zimmer-Wohnung. Zur Familie gehören inzwischen der am 7. August 1928 geborene Harald Zwi und die am 6. Juli 1932 geborene Gitta Tova.
Der Machtantritt der Nationalsozialisten verändert alles! Der Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933 trifft besonders Max Rosenheck. Der Mob stürmt das Geschäft und man droht, ihm den Schädel einzuschlagen, wenn er nicht die Schulden erlassen würde. Nur das entschlossene Eingreifen Annas verhindert Schlimmeres - ähnliche Vorfälle ereignen sich auch in der Folgezeit. Max Rosenheck gerät in Panik und entschließt sich, sofort mit der Familie das Land zu verlassen - unter Zurücklassung der gesamten Habe, denn er findet niemanden, der sich deren annehmen könnte.
Er begleitet Frau und Kinder am 15. 8. nach Frankfurt zu den Schwiegereltern, verlässt selbst Deutschland und findet in Valenciennes in Frankreich eine Bleibe für sich und die Familie, die bald nachfolgt. 1934 gelangt die Familie in das Saargebiet nach Saarbrücken, doch mit dem „Anschluss“ des Saarlands am 1. März 1935 fühlt man sich auch dort nicht mehr sicher. Die Familie setzt sich nach Luxemburg ab, wo 1936 das dritte Kind der Familie, Emanuel Meir, zur Welt kommt. Doch sicher fühlen sich die Rosenhecks auch dort nicht und so schiffen sie sich am 2. April 1936 auf der S/S Providence von Marseilles nach Palästina ein.
Als Flüchtlinge ohne Barschaft finden sie zunächst in Tel Avivs Arnon St. eine Bleibe, werden dort aber bald delogiert, weil sie die Miete nicht zahlen können. In einer Holzbaracke müssen sie fortan am Strand von Machlul in einem Raum leben, Anna verdingt sich als Haushaltshilfe, Max geht hausieren, ehe er eine Wäscherei übernehmen kann. Beide Eltern erkranken schwer, 1941 muss Max die Berufstätigkeit aufgeben. Er stirbt am 2. August 1972 in Israel, Anna im August 1988.
Harald Zwi besucht die Volksschule in Tel Aviv, ist später Laufbursche, Tellerwäscher und Zulanger in einer Textilfabrik. Obwohl schon 1946 schwer erkrankt und später zu 40% schwerbeschädigt, absolviert er von 1948-1951 den Militärdienst. Später holt er das Abitur nach und wird Sozialarbeiter. 1952 heiratet er die Krankenschwester Schoschanna Reiner mit der er zwei Kinder, Aran (* 1957) und Judy (* 1965), hat. Später verlässt die Familie Israel und geht in die USA.
Gitta Tova wird zur Kinderpflegerin ausgebildet, heiratet 1954 den am 23. Juli 1928 in Köln geborenen Schneider Sigfried Samuel Kraus. Auch sie verlassen 1956 Israel und siedeln sich in New York an. Zwei Kinder, Orlie (* 1958) and Gil (* 1961) werden geboren. Im September 2016 verstirbt Sigfried Kraus.
Emanuel Meir wird in Israel Tischler, heiratet und wird Vater von drei Kindern, Dorit (* 1962) und den Zwillingen Shai und Yaniv (* 1968). Emanuel Meir stirbt 2014.
In Kolomea (Kolomyja, 1919-1939 polnisch, heute zur Ukraine gehörend) lebten bei Ausbruch des 2. Weltkriegs 44.000 Menschen, davon 15.000 Juden. Im Juli 1941 ging Kolomyia von der sowjetischen in die deutsche Besatzung über. Am 12. Oktober 1941 verhaftet die Wehrmacht und die ukrainische Polizei fast 3.000 Juden und erschiessen sie in den nächsten Tagen im Wald nahe Szeparowce. Eine weitere „Aktion“ findet am 6. November 1941 statt. Schließlich werden am 23. Dezember 1941 etwa 1.000 Juden mit ausländischen Pässen verhaftet, inhaftiert und am Ort früherer Hinrichtungen erschossen. Im März 1942 richten die Deutschen in der Gegend drei Ghettos ein, in denen sie fast 18.000 Juden aus Kolomyia und Umgebung unterbringen. Schon im April 1942 werden etwa 5.000 und im September 1942 fast 7.000 Menschen in das Vernichtungslager Bełżec deportiert. Am 20. Januar 1943 werden 2.000 überlebende Juden in mehreren Häusern versammelt und am 2. Februar 1943 erschossen. Zu den Opfern gehören auch Brane, die Mutter Max Rosenhecks, und sechs seiner Geschwister.
Albert Hirschland, der am 26. November 1896 im westfälischen Steinheim geborene Leiter und Lehrer von „Brucks höherer Handelsschule“ in Magdeburg wird am 29. April 1935 verhaftet. Am 18. Juni 1935 steht er in Magdeburg in einem Prozess vor Gericht, der deutschlandweit für Aufsehen sorgt. Er wird beschuldigt, Geschlechtsverkehr mit minderjährigen nichtjüdischen Schülerinnen gehabt zu haben. Als zentraler Schuldbeweis Hirschlands wird bei dem Prozess ein - von Hirschland als Fälschung bezeichnetes - Tagebuch eingebracht, ihn entlastende Aussagen geflissentlich ignoriert.
Wie wesentlich für die Nationalsozialisten der Prozess ist, belegt die Anwesenheit des Schriftleiters des antisemitischen Hetzblattes „Der Stürmer“, Karl Holz, der am Vorabend des Prozessbeginns in der Stadthalle Magdeburg vor vollbesetztem Saal eine Hetzrede zur Einstimmung der „Volksgemeinschaft“ hält, auch die Spitzen von NSDAP und SA sind beim Prozess präsent.
Albert Hirschland - der vor der Urteilsverkündung einen Suizidversuch unternimmt - wird vom Schwurgericht schon am 19. Juni wegen unerlaubter sexueller Handlungen in fünf Fällen für schuldig befunden und zu 10 Jahren Zuchthaus und zehn Jahren „Sicherungsverwahrung“ verurteilt, die Schule auf Anordnung des Polizeipräsidenten im Juli geschlossen. In der Begründung heisst es: „Die Erregung der Bevölkerung Magdeburgs über die Treibereinen Hirschlands in sittlicher Beziehung ist so groß, daß Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung für den Schulbetrieb zu befürchten sind.“
Unmittelbar nach Urteilsverkündung beginnt eine beispiellose Pressekampagne mit gleichlautenden Meldungen zum Prozessausgang, von der kaum ein Provinzblatt ausgenommen bleibt. Im August 1935 erscheint eine 16-seitige Sondernummer des Stürmer, die in großen Lettern mit „Albert Hirschland. Der Rassenschänder von Magdeburg“ titelt und von der zwei Millionen Exemplare verteilt werden.
Am 24. August 1935 kommt es in Magdeburg infolge des Prozesses zu Krawallen, wobei die Kaufhäuser Barasch und Salberg zum Hauptziel eines antisemitischen Mobs werden: Kunden werden bespuckt und geschlagen, hunderte Demonstranten blockieren die Eingänge. Die Polizei erzwingt die vorübergehende Schließung der Kaufhäuser, die Angestellten müssen durch die Hinterausgänge fliehen.
Die von Hirschland angestrebte Revision wird im September 1935 vom Reichsgericht als „offensichtlich unbegründet“ verworfen.
Die von den Nationalsozialisten geschürte antijüdische Hysterie bereitet den Boden für die im September 1935 vom Reichstag verabschiedeten Nürnberger Rassengesetze, die unter anderem die Eheschließung und den außerehelichen Geschlechtsverkehr zwischen Juden und Nichtjuden zur „Rassenschande“ deklarieren und unter Strafe stellen, den alltäglichen Kontakt kriminalisieren.
Etliche Verfahren gegen jüdische Mitbürger Magdeburgs sind die Folge - so gegen Markus Augenreich,
Dr. med. Erich Böhm und
Max Katzmann. Bereits im Dezember 1935 treffen die rassistischen Verfolgungsmaßnahmen leitende jüdische Angestellte des Warenhauses Barasch, die wegen angeblicher „sittlicher Verfehlungen an weiblichen Angestellten“ verhaftet werden, das Kaufhaus wird vorübergehend geschlossen und erst wieder geöffnet, nachdem ein „arischer Betriebsführer“ eingesetzt wurde. Ins Visier der Nationalsozialisten gerät auch der lutherische Pfarrer Oskar Zuckschwerdt, der Albert Hirschland am 17. März 1935 in der St.-Ulrich-Kirche in Magdeburg getauft hatte. Er wird mehrmals von den Nazis festgenommen und im Stürmer scharf angegriffen, weil er Hirschland die Taufe ermöglichte.
Die „Verordnung gegen Volksschädlinge“ vom 5. September 1939 ermöglicht eine Verschärfung der Strafen für „Rassenschande“. Waren anfänglich Zuchthausstrafen vorgesehen, werden nach Kriegsbeginn auch Todesstrafen verhängt.
Albert Hirschland wird nach der Inhaftierung 1942 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort am 18. Februar 1943 ermordet.
2023 sind zwei weitere Stolperstein-Verlegungen in Magdeburg geplant - am 9. November 2023 um 14:00 Uhr, Markgrafenstraße 2, zum Gedenken an die Familie David Schlein und am 10. Dezember 2023 um 15:00 Uhr, Anhaltstraße 9, für die Familie Heymann-Lewin.
Die Suche nach „Putzpaten" für die verlegten Stolpersteine geht weiter: Für die bislang 716 Stolpersteine an 234 Verlegeorten konnten bereits 208 Paten gefunden werden, für 26 Standorte werden noch Paten gesucht. Kontakt:
Weitere Informationen: www.magdeburg.de
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Eine Stadt bekennt sich! 37. Verlegung von Stolpersteinen in Magdeburg
Mit der 37. Verlegung von Stolpersteinen gedenkt die Stadt Magdeburg am 31. August 2023 weiterer Opfer des Nationalsozialismus. An 12 Verlegeorten wird im Stadtgebiet an 26 verschleppte und ermordete Magdeburgerinnen und Magdeburger erinnert.
- Margarethe und Alexander Safian (Lüneburgerstr./Ecke Rollenhagenstraße, früher Lüneburgerstr. 2)
- Hertha Levi (Ernst-Lehmann-Str., nahe Pfälzer Platz, früher Pionierstr. 1)
- Chana, Gina, Toni, Moses Aaron und Salomon Neumann (Mühlenstraße 4/6, früher Große Storchstr. 9)
- Ernestine und Max Beer (vor dem Eingang der Jakobstr. 46, früher Große Storchstr. 13)
- Sofia und Samuel Margulies (vor dem Eingang Jakobstraße 52, früher Nr. 33)
- Fritz Ephraim Fischel, Leo Arie, Hilda Hinda und Hersch Hermann Zwi Schönwetter (schräg gegenüber der Großen Steinernetischstraße 6, früher Nr. 17)
- Paul Rinkel (vor dem Eingang Breiter Weg 32, früher Katharinenstr. 12)
- Margarete Zäge (Erzbergerstraße/Ecke Am Krökentor, früher Beaumontstr. 3)
- Rosa und Nathan Neumann (gegenüber vom Eingang Breiter Weg 111, früher Zschokkestr. 19)
- Felix Panke (Breiter Weg 128, früher Nr. 147)
- Philipp Lilienfeld (Einsteinstraße 10, früher Blumenthalstr. 10)
- Eva Charlotte Henriette, Leonie und Gustav Lewin sowie Heinz Walter Ferdinand Lewin-Guradze (Steubenallee 3, früher Sternallee 3)
(In vielen Fällen stimmen die für die Verlegung gewählten Adressen infolge der Zerstörungen durch den 2. Weltkrieg oder nachträglich geänderter Straßenführung nicht mehr mit den ursprünglichen Wohnadressen der Opfer überein.)
Gedenkblätter mit Informationen zu den Biografien der Opfer, die von der Arbeitsgruppe „Stolpersteine für Magdeburg" recherchiert wurden, finden sich unter www.magdeburg.de/.
Magdeburgs Oberbürgermeisterin Simone Borris nimmt an der Verlegung der Stolpersteine für die Familie Lewin-Guradze, zu der auch Angehörige aus Israel anreisen, teil. Im Anschluss an die Verlegungen werden die Familienangehörigen zum Gespräch mit Interessierten im EineWeltHaus in der Schellingstr. 3-4 zusammentreffen.
Beeindruckend ist das Spendenaufkommen seitens der Magdeburgerinnen und Magdeburger als Reaktion auf einen Aufruf der Arbeitsgruppe „Stolpersteine für Magdeburg": 60 Spenderinnen und Spender stellten einen Betrag von knapp 10.000 Euro für weitere Verlegungen bereit. Spendenkonto: Landeshauptstadt Magdeburg, Sparkasse Magdeburg, IBAN DE02 8105 3272 0014 0001 01, Verwendungszweck: 37994311/Stolpersteine
Und auch die Suche nach „Putzpaten" für die bereits verlegten Stolpersteine ist von beachtlichem Erfolg gekrönt: Zahlreiche Einzelpersonen, Schulen, Kita's, Vereine, Institutionen, Verbände, Kirchen, Gewerkschaften und Parteien, die sich dauerhaft für die Pflege der mittlerweile in Magdeburg verlegten Stolpersteine verantwortlich fühlen, haben sich zur Verfügung gestellt, so dass nur noch für 20 Standorte Paten gesucht werden. Kontakt:
Wer waren die Menschen, an die erinnert wird?
„Ich hasse Polen!" So lauten die letzten Worte, die der 13-jährige Salomon Neumann von seinem Vater Moses Aaron am Abend vor dessen Abschiebung nach Polen am 27. Oktober 1938 hört.
Er wusste wohl, dass der Vater im 1. Weltkrieg Soldat der k.u.k.-Armee und in Kriegsgefangenschaft war, eher nichts von dem Pogrom in Strzyzów, der Heimatstadt des Vaters, am 5. November 1918, bei dem die Bevölkerung jüdische Geschäfte beraubt, Juden aus den Häusern gezerrt und geschlagen werden, drei ihr Leben verlieren, wohl auch eher nichts vom Pogrom am 21. April 1919 als Strzyzów schon zu Polen gehört. Das Gerücht über einen aufgedeckten Ritualmord dient als Vorwand und etwa ein Dutzend Juden wird verletzt, einer stirbt an seinen Verletzungen, auch der Großvater soll an den Folgen dabei erlittener Verletzungen gestorben sein.
Das alles waren Gründe warum viele jüdische Familien Polen auf der Suche nach einer besseren Zukunft in Westeuropa oder den USA zu verlassen. Die Neumanns - das sind Vater Moses Aaron, Mutter Chaja und die Töchter Chana, Toni und Gina - kommen nach Magdeburg, wo der Vater als Religions- und Hebräischlehrer sowie als Küster für Achduth (= Einheit), eine Vereinigung orthodoxer Juden, in Dienst geht und 1925 der Sohn Salomon geboren wird. Sie leben in der Großen Storchstr. 9, erst in der 2. Etage, dann im Erdgeschoss, mit Speisezimmer, Schlafzimmer, Kinderzimmer, Küche und dem Wohnzimmer mit zwei großen Bücherschränken mit wertvollen Büchern. Hier versammelt sich die Gemeinde abends um die heiligen Schriften zu studieren.
Weitsichtige Verwandte in den USA schicken der Familie 1933 Tickets für die Ausreise, wogegen sich aber besonders die Mutter ausspricht und die Familie in Magdeburg bleibt. Sie stirbt im Alter von 56 Jahren am 20. November 1933 im Krankenhaus Altstadt und wird auf dem Jüdischen Friedhof am Fermersleber Weg zu Grabe getragen.
Am 27. Oktober 1938 wird Moses Neumann verhaftet und im Zuge der so genannten „Polenaktion" am darauffolgenden Tag des Landes verwiesen. Mit Zehntausenden Juden mit polnischer Staatsbürgerschaft wird er nach Bentschen/Zbąszyń an die polnische Grenze transportiert. 1941 gelangt Moses Neumann in das inzwischen von Deutschen besetzte Krakau, wo sich auch die Tochter Toni aufhält und später mit ihr zusammen nach Strzyzów.
Die Tochter Chana, die inzwischen in Bamberg lebt, wird dort kurzzeitig verhaftet. Nach der Freilassung kehrt sie nach Magdeburg zurück und lebt noch bis Januar 1939 in der elterlichen Wohnung. Später gelingt ihr mit Gina und Salomon die Flucht nach England, wo Chana am 1. März 1942 letztmalig Nachricht aus Strzyzów von Vater und Schwester erhält.
Strzyzów ist seit dem 15. September 1939 von Deutschen besetzt und durchaus ein historischer Ort: Hier entstand als „Anlage Süd“ eines von Hitlers Führerhauptquartieren. Es besteht unter anderem aus zwei Bunkern zum Schutz des persönlichen Zugs Hitlers, einem Bunker bei Stepina und einem bei Strzyzów. Sie sind beide jeweils fast 400 Meter lang und aus Stahlbeton mit einer Stärke von zwei Metern. Im Sommer 1941 fertig gestellt, kommt es hier am 27. August zu einem Treffen Hitlers mit Benito Mussolini.
Am 24. Juni 1942 beginnt die Umsiedlung der jüdischen Einwohner Strzyzóws in das Ghetto von Rzeszów, das aus zwei Teilen besteht: einem für die Alten, Kinder und Frauen (die in der Regel nicht sehr lange zu leben haben) und einem für die Männer im Alter von 18 bis 45 Jahren, die als Arbeitssklaven rund um die Stadt eingesetzt werden.
Im Juli 1943 wird das Ghetto von der Gestapo, Polizei und einem SS-Bataillon liquidiert, die Juden müssen all ihre Habseligkeiten abgeben und werden zum Bahnhof in Staroniw geführt, von wo aus sie in Viehwaggons verladen werden und zu verschiedenen Lagern deportiert. Die meisten der Juden aus Strzyzów und Rzeszów werden in Belzec ermordet oder in Rzeszow, Glogow Pustkow oder den Wäldern erschossen - so auch Moses Aaron und Toni Neumann.
Chana Neumann bleibt in England, wo sie heiratet. Gina gelangt nach Palästina, wo sie sich im Kibbutz Rodges bei Petach Tikwa ansiedelt und zur Krankenpflegerin ausgebildet wird. Später reist sie nach Frankreich aus, wo sie in Flüchtlingslagern tätig wird und heiratet. Salomon, später Shlomo, wird in England in der Jugend-Alijah aktiv, ehe er 1947 mit der „Exodus" nach Palästina gelangt und sich im Kibbutz Lavi westlich des See Genezareth niederlässt, wo er eine Familie gründet.
Hilda Hinda und Hersch Hermann Zwi Schönwetter stammen aus Brzostek im Karpatenvorland, zwischen Tarnów im Westen und Rzeszów im Osten gelegen, das eine wechselvolle Geschichte hat: Seit 1367 unter Magdeburger Recht war es Juden erst 1816 erlaubt, sich dort anzusiedeln. Seit 1848 gab es dort eine jüdische Gemeinde mit Synagoge, Badehaus und Schule, schon 1870 leben in der Stadt 358 Juden, 1910 sind es 514, die ein Drittel der Bevölkerung ausmachen. Zunächst zur k.u.k.-Monarchie gehörend, ist es 1914/1915 vorübergehend in russischer Hand, die Juden werden von den russischen Behörden unterdrückt, 1914 eine Verordnung erlassen, die die Bewegungsfreiheit der Juden im Frontbereich einschränkt. Im selben Jahr vergewaltigen Soldaten des sibirischen Regiments jüdische Frauen. 1918 fällt Brzostek an Polen. Die Beziehungen zwischen Polen und Juden verschlechtern sich erheblich, als es im Frühjahr 1919 zu Unruhen kommt, die sich gegen die jüdische Bevölkerung richten, polnische Jugendliche aus den umliegenden Dörfern Steine auf jüdische Geschäfte werfen.
Hersch Schönwetter stammt aus einer kinderreichen Familie, die einen Bauernhof von 30 Morgen besitzt. Der Vater Shlomo wird als orthodox und zugleich fortschrittlich beschrieben. Hersch ist der älteste Sohn, nach ihm sind die Kinder Josef (* 1894), Abraham (*1897), Wolf (* 1898) und Chana (* 1902) geboren. Hilda Schönwetter ist Herschs Cousine und die jüngste in ihrer Familie. 1923 heiraten Hersch und Hilda Schönwetter in Brzostek und am 12. November 1924 kommt dort der Sohn Fritz Efraim Fischel zur Welt.
Nicht zuletzt wegen der zunehmenden Ausschreitungen gegenüber Juden, aber auch der sich verschlechternden wirtschaftlichen Situation entschließt sich die junge Familie im gleichen Jahr zu einem Wechsel nach Deutschland. In Magdeburg bezieht die Familie eine Wohnung im Erdgeschoss der Großen Steinernetischstraße 17 und Hersch Schönwetter eröffnet dort ein Abzahlungsgeschäft für Textilwaren. Die Geschäfte laufen zufriedenstellend, ein weiterer Sohn, Leo Arie, wird am 1. April 1928 in Magdeburg geboren.
Der Nationalsozialismus bringt einschneidende Veränderungen besonders im Leben der jüdischen Bürger Magdeburgs, Entrechtung und Willkür bestimmen das tägliche Leben. Das Geschäft der Schönwetters erlebt erhebliche Einbußen und die Familie hat Schwierigkeiten, bei geringerem Einkommen den Lebensunterhalt zu bestreiten. Ende Oktober 1938 lässt das NS-Regime rund 17.000 Jüdinnen und Juden mit polnischer Staatsbürgerschaft verhaften, ausweisen und gewaltsam zur polnischen Grenze verbringen. Die gesamte Familie Schönwetter ist betroffen und wird unter Zurücklassung ihrer Habe an den Grenzort Bentschen/Zbąszyń verbracht, wo sie sich etliche Tage unter widrigen Wetterbedingungen aufhält, ehe sie sich entschließt, in ihren Heimatort Brzostek zurückzukehren.
Schon im November 1939 marschieren deutsche Truppen in Brzostek ein, bald darauf sind Juden gezwungen, den Judenstern zu tragen, ihnen wird untersagt, abends die Wohnung zu verlassen, wie ihnen das Betreten öffentlicher Lokale und Plätze verboten ist. Jüdisches Eigentum wird beschlagnahmt, jüdische Geschäfte geschlossen, 1941 ein Ghetto errichtet. Im gleichen Jahr wird der 17-jährige Fritz von der Familie getrennt und zum Arbeitseinsatz in verschiedene Konzentrationslager deportiert, ehe er am 16. Januar 1945 mit 5.000 anderen jüdischen Insassen aus dem Zwangsarbeitslager Tschenstochau der HASAG Warta befreit wird.
Die Eltern und der Bruder sind in Brzostek zurückgeblieben. Im April 1941 werden sie nach Treblinka deportiert, wo sie am 18. August 1942 ermordet werden. Von den 479 Juden Brzosteks überleben nur wenige. Sofern sie nicht im Ghetto selbst ums Leben kommen, werden sie in den umliegenden Wäldern erschossen, wie alle Geschwister Hilda Schönwetters und ihre Familien, darunter sechs Kinder. Fritz Schönwetter ist der einzige Überlebende der Familie. Er findet in Haifa eine neue Heimat.
Der Film „A Town called Brzostek" (2014) handelt von der jüngsten Umwidmung des jüdischen Friedhofs in Brzostek, größtenteils auf Initiative des ehemaligen Oxford-Universitätsprofessors Jonathan Webber, dessen jüdische Familie Wurzeln in der Region hat. Eine des Thesen des Films ist, dass 85 % aller jüdischen Familien auf der Welt ihre Wurzeln in Polen haben, allerdings fast überall eine eher negative Erinnerung an diese Wurzeln besteht.
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NS-Raubgut in öffentlichen Bibliotheken Sachsen-Anhalts - Ausstellung in der Stadtbibliothek Magdeburg
Die Stadtbibliothek Magdeburg eröffnet am 19. März die Ausstellung „Belastetes Erbe. Provenienzforschung zu NS-Raubgut in öffentlichen Bibliotheken Sachsen-Anhalts", die bis Ende November auf allen Etagen der Zentralbibliothek (Breiter Weg 109) zu den üblichen Öffnungszeiten (Mo - Fr 10-19 Uhr, Sa 10-13 Uhr) in Augenschein genommen werden kann.
Sie dokumentiert damit ein mehrjähriges wissenschaftliches Forschungsprojekt des Landesverbands Sachsen-Anhalt im Deutschen Bibliotheksverband e.V., das durch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste und das Land Sachsen-Anhalt unterstützt wurde. Im Juli 2017 gestartet, hatten sich an diesem Projekt Bibliotheken in Dessau, Magdeburg, Sangerhausen, Wernigerode und Zerbst beteiligt. Kern der Projektarbeit war die Suche nach Büchern, die einstmals Juden und anderen Verfolgten des NS-Regimes gehörten, in den Beständen der beteiligten Bibliotheken. Vergleichbare Recherchen sind auch aus anderen Bundesländern, wie z.B. Niedersachsen ( Spuren der NS-Verfolgung - in Hannover) bekannt.
Was lange währt ...
Es entbehrt nicht einer gewissen Frustration sich zu verdeutlichen, dass Bemühungen, den auf der Grundlage rassistischer Gesetzgebungen im Nationalsozialismus staatlich organisierten Raub zu restituieren, immer noch derart zäh in praktische Maßnahmen umgesetzt werden: mit der so genannten „Londoner Erklärung" existiert seit 1943 die Grundlage für die Restitutionsregelungen der alliierten Besatzungsmächte in Deutschland. Entsprechende Rückerstattungsgesetze regelten seinerzeit allerdings Restitutionen und Wiedergutmachungen nur auf westdeutschem Territorium. Erst 1990 konnten nach dem Vermögensgesetz der DDR Ansprüche von Geschädigten für das ostdeutsche Gebiet geltend gemacht werden. Mit der „Washingtoner Erklärung" von 1998 einigten sich 44 Nationen darauf, Sammlungen und Bestände auf das Vorhandensein von NS-Raubgut zu überprüfen, identifizierte Objekte an die Opfer oder deren Erben zurück zu geben oder nach gerechten und fairen Lösungen zu suchen. Mit der Erklärung zur „Auffindung und Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom Dezember 1999 („Gemeinsame Erklärung“) haben sich Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände zur Verwirklichung der Washingtoner Erklärung bekannt. Im Jahr 2000 wurde von der in Magdeburg angesiedelten Koordinierungsstelle die so genannte Lost Art-Datenbank online geschaltet ( www.lostart.de), durch die Such- und Fundmeldungen zugänglich werden. Über die Arbeitsstelle für Provenienzforschung (AfP) am Institut für Museumsforschung der Staatlichen Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz setzte 2008 schließlich die staatlich finanzierte Unterstützung der Provenienzforschung ein. Ab 2012 wurden sukzessive in mehreren Bundesländern erste feste Stellen für Provenienzforscher eingerichtet und 2015 die Stiftung Deutsches Zentrum für Kulturgutverluste mit Sitz in Magdeburg gegründet.
Was bietet nun die Magdeburger Ausstellung?
Neben den methodischen Aspekten werden in der Ausstellung Organisationen wie der Nationalsozialistische Lehrerbund thematisiert, die in die Mechanismen der unrechtmäßigen Bereicherung ebenso eingebunden waren wie verschiedene Ebenen der staatlichen Verwaltung wie beispielsweise die Gerichtsvollzieher.
Ein Schwerpunkt der Ausstellung widmet sich den Lebensgeschichten jüdischer Familien aus Magdeburg. Sie wurden vom NS-Staat ausgeplündert, in Vernichtungslagern ermordet oder ins Exil getrieben. So war die Suche nach Hinweisen auf die ehemaligen Eigentümer von Büchern, die sich im Bestand der Stadtbibliothek Magdeburg befinden, ein zentraler Teil der Arbeit des Forschungsprojektes. Die durchgeführten Recherchen führten auch zu Büchern möglicher Vorbesitzer, die in der Ausstellung vorgestellt werden. Zu diesen gehört
- das Ehepaar Dr. med. Erika Rosenthal-Deussen und Prof. Dr. med. Werner Rosenthal
Dr. med. Werner Rosenthal wird am 24. Juni 1870 in Berlin geboren. Seine Eltern sind der Physiologe Prof. Dr. med. Isidor Rosenthal und seine Ehefrau Anna, geborene Höher. Die Eltern Werner Rosenthals sind jüdischer Herkunft, allerdings tritt Isidor Rosenthal bereits 1872 aus der jüdischen Gemeinde aus. Werner Rosenthal besucht das Gymnasium in Erlangen, anschließend nimmt er dort und in Berlin und Kiel das Studium der Medizin auf. 1893 wird er in Erlangen mit der Arbeit „Thermoelektrische Untersuchungen über die Temperaturvertheilung im Fieber“ promoviert und absolviert 1894 das Staatsexamen, ehe er in Erlangen, Turin und Freiburg forschend tätig wird. Weitere berufliche Stationen führen ihn nach Straßburg und Frankfurt/M. Nach einer Assistententätigkeit am pathologisch-anatomischen Institut in Basel wechselt er 1905 an das hygienische Institut in Göttingen und kann sich 1907 habilitieren. 1911 erhält er das Prädikat „Professor“.
1916 heiratet Rosenthal die am 9. September 1894 in Kiel geborene Erika Deussen, die 1920 gleichfalls in Erlangen (mit der Arbeit „Das Facialisphänomen. Sein Vorkommen u. s. Bedeutung nebst Untersuchungen über d. galvanische Erregbarkeit grösserer Kinder“) promoviert wird. Zuvor hat sie 1914 die Reifeprüfung am Realgymnasium Leipzig abgelegt und von April 1914 bis März 1916 in Kiel Medizin studiert. Von August bis Oktober leistet sie Kriegshilfsdienst im hygienischen Institut der Universität Kiel, ehe sie 1916 nach Erlangen wechselt und 1916 die ärztliche Vorprüfung und 1919 die ärztliche Staatsprüfung absolviert. Bis zum Dezember 1920 ist sie als Medizinalpraktikantin in Erlangen tätig. Das Ehepaar bekommt drei Töchter (Ruth *1916, Eva *1918, Anna Beate *1922).
Werner Rosenthal wird 1921 Außerordentlicher Professor und Privatdozent an der Göttinger Universität, 1923 stellvertrender Kreisassistenzarzt sowie Schul-, Fürsorge- u. Polizeiarzt in Göttingen. Allerdings erreicht er nicht zuletzt wegen seiner politischen Auffassungen (er gehört der „Deutschen Demokratischen Partei“ an) und seiner jüdischen Herkunft nie das Endziel der akademischen Laufbahn, wird von der Universität beurlaubt und Kreisassistenzarzt in Hagen. Erika Rosenthal-Deussen, die der SPD angehört, ab 1921 Volontärassistentin in Göttingen und Erlangen, 1926 Volontärärztin in Düsseldorf, später in Göttingen, erhält 1928 den Auftrag, die Gewerbeaufsicht im Bezirk IV (Magdeburg, Erfurt und Merseburg) zu übernehmen, 1929 wird sie zur Gewerbemedizinalrätin in Magdeburg mit Amtssitz Remtergang 1 ernannt. 1931 wird sie Schriftführerin der Ortsgruppe Magdeburg des Bundes Deutscher Ärztinnen (BdÄ) und ist in etlichen Ausschüssen der Organisation aktiv, sowie - wie ihr Ehemann - Autorin bzw. Autor zahlreicher Fachveröffentlichungen. Das Ehepaar wird 1933 infolge des Berufsbeamtengesetzes (BBG) entlassen, der Versuch der Rosenthals, eine Kassenarztpraxis am Ort, Breiter Weg 135, zu betreiben, scheitert schon nach kurzer Zeit. 1934 emigriert das Ehepaar mit der Tochter Ruth nach Indien, wo Werner Rosenthal in Mysore eine Professur am Seruminstitut des Medical College erhält, Erika Rosenthal-Deussen in der Frauen- und Kinderfürsorge tätig wird. Im April 1942 stirbt Werner Rosenthal in einem Internierungslager in Yercaud im indischen Bundesstaat Tamil Nadu. Nach dem Tod des Ehemannes wird Erika Rosenthal-Deussen in Indien zunächst als Schulärztin tätig, ehe sie in die Vereinigten Staaten verzieht, wo sie als Psychiaterin an einer Klinik tätig wird. Sie leidet an einer Depression und begeht am 20. August 1956 Suizid.
Fachkreise würdigten zumindest die Verdienste und das Schicksal Werner Rosenthals postum: Seit 2010 vergibt die Deutsche Gesellschaft für Neuropathologie und Neuroanatomie (DGGN) einen „Werner-Rosenthal-Award“ an Nachwuchswissenschaftler und erinnert damit auch daran, dass nach Rosenthal schon zu Lebzeiten eine bestimmte pathologische Struktur, die so genannten „Rosenthal-Fasern“ benannt wurden.
- und das Ehepaar Ilse und Dr. med. Hans Aufrecht (für die 2012 in der Magdeburger Otto-von-Guericke-Str. 105 Stolpersteine verlegt wurden).
Dr. med. Hans Aufrecht, geboren am 12. Februar 1899 in Loslau (Oberschlesien), absolviert sein Abitur 1917 in Breslau. Er ist Kriegsteilnehmer bevor er 1919-1924 in München und Breslau Medizin studiert. Zunächst Medizinalpraktikant in Hamburg, wird er 1926 dort mit der Arbeit „Die Bedeutung des Traumas für die Entstehung des Mammacarcinoms“ promoviert und erhält die ärztliche Approbation. 1927 wird Aufrecht Assistenzarzt in Magdeburg und heiratet 1929 Ilse Rothgießer (*9. Oktober 1901 in Breslau). Ab 1930 lässt sich Aufrecht mit einer Praxis als Facharzt für Innere Medizin in der Otto-von-Guericke-Straße 104 nieder, ab 1933 wird Ilse Aufrecht Sprechstundenhilfe in der Arztpraxis ihres Mannes. 1938 wird ihm die Approbation aberkannt, seine Praxis verwüstet und er selbst verhaftet und bis November im KZ Buchenwald festgehalten. Das Ehepaar verlässt Magdeburg, lebt zunächst in Köln, später in Frankfurt/Main und wird von Köln am 7. Dezember 1941 nach dem Ghetto Riga deportiert, von dort in das KZ Stutthof. Am 8. Januar 1945 wird Ilse Aufrecht in Stutthof ermordet, Dr. Hans Aufrecht gerät auf einen der berüchtigten Todesmärsche, wird in Lauenburg befreit, wo er von einem Sowjetsoldaten erschossen wird.
Ausblick
Über die Sinnhaftigkeit des Projektes mag man - ohne den Projektmitarbeitern zunahe zu treten - geteilter Meinung sein. Der nationalsozialistische Bestandskanon der seinerzeitigen Volksbüchereien lässt vermuten, dass nicht diese, sondern vornehmlich wissenschaftliche Bibliotheken, Antiquariate und Privatpersonen Nutznießer des großangelegten Raubzuges im NS-Staat gewesen sind, stammen doch die geraubten Buchbestände in erster Linie aus Kreisen des jüdischen Bürgertums, werden - erst recht in Fällen ohnehin indizierter Literatur - in "Giftschränken" von wissenschaftlichen Bibliotheken verwahrt oder in eigens geschaffenen Einrichtungen deponiert worden sein, wie im Institut zur Erforschung der Judenfrage in Frankfurt. Als in Magdeburg verschollen gilt übrigens auch die wertvolle Bibliothek des Hebräisch- und Religionslehrers Moses Aaron Neumann, zugleich Küster der orthodoxen Jüdischen Religionsgemeinde Achduth, der nach seiner Ausweisung aus Deutschland 1938 in seinem Heimatort Strzyżów, inzwischen von Deutschen besetzt, festgesetzt und 1943 wie die Tochter Toni ermordet wurde.
- Details
Stolpersteine für Magdeburg - 35. Verlegung am 26. September 2022
2010 wurde der oben abgebildete Stolperstein für Lydia Hamlet in der Magdeburger Denhardtstr. auf dem Gelände der Otto-von-Guericke Universität verlegt - dort wo früher das im 2. Weltkrieg zerstörte Haus Königgrätzer Str. 5 stand. Seit 1935 lebte der Bankkaufmann Sally Hamlet mit seiner Frau Lydia darin, 1940 wurden beide daraus vertrieben. Sally Hamlet starb kurz darauf, Lydia Hamlet wurde 1942 in das Ghetto Warschau deportiert und später in Treblinka ermordet. Eigentümer und Mitbewohner des Hauses war Salomon Hornig, an den mit der 35. Stolpersteinverlegung in Magdeburg am Mittwoch, 26. September 2022, erinnert werden soll. An der Verlegung, zu der die städtische Arbeitsgruppe „Stolpersteine für Magdeburg“ beim Kulturbüro der Landeshauptstadt alle Interessierten einlädt, werden auch Angehörige der Opfer, derer gedacht wird, teilnehmen. Gunter Demnig, der Initiator der Stolperstein-Initiative, wird die Verlegungen vornehmen.
Weitere Informationen: Einladungsflyer (pdf-Datei, 541 KB)
Der Verlegeplan am 26. September in Magdeburg
09.00 Uhr | Bernhardine, Edith, Pia und Hermann (Hersch) Hart, Mittelstr. 48 |
09.30 Uhr | David Apter, Sieverstorstr. 40 |
09.50 Uhr | Nathan Kalter, Wittenberger Str. 28 |
10.10 Uhr | Hermine Katzenstein, Ernst-Lehmann-Str. 19 (früher Pionierstr. 4) |
10.30 Uhr | Salomon Hornig, Denhardtstr./Uni-Gelände (früher Königgrätzer St. 5) |
10.50 Uhr | Friederike Winterfeld, Breiter Weg 109 (gegenüber der Stadtbibliothek, früher Breiter Weg 100) |
11.10 Uhr | Rosa Ruchel Hochberg, Peterstr. 2 (früher Tischlerkrugstr. 9) |
11.30 Uhr | Beila Berta, Izak Leib, Moses Max und Ruth Hagen, gegenüber Faßlochsberg 7 (früher Faßlochsberg 15) |
12.00 Uhr | Sara Leja und Saja Leib Kahan, Faßlochsberg 31 (früher Kameelstr. 21) |
12.30 Uhr | Ida Heilbrun und Emma Rothenstein, Geißlerstr. 3 (früher Roonstr. 3) |
13.15 Uhr | Cilly, Ettla Netti und Heinz Hirschhorn, Karl-Schmidt-Str. 62 (früher Feldstr. 62) |
13.35 Uhr | Rosa Goldmann, Adelheidring 21 |
13.55 Uhr | Helene Amalie, Ingrid und Paul Greve, Freiliggrathstr. 1 |
Salomon (Shulim) Hornig wächst bei seinen Eltern, Cheve (Hendel), geb. Rottenberg, und Abraham (Leiser) Hornig, in Sieniawa in Galizien auf. Sieniawa im Karpatenvorland war zur Zeit seiner Geburt am 11. März 1869 zur K.u.k.-Monarchie gehörig und ein Zentrum des ostmitteleuropäischen Judentums, insbesondere des Chassidismus. Zu Beginn des 1. Weltkriegs waren mehr als 60 % der Bevölkerung jüdisch.
Bereits in Sieniewa hat Salomon Hornig 1895 die am 15. August 1867 im Ort geborene Jenny (Chaje) Kropf geheiratet. Schon 1897 finden wir das Ehepaar in Magdeburg, in der Mühlenstr. 1a begründen sie eine Eiergroßhandlung, die 1901 mit dem Kompagnon Kop(p)el Weinberg auch in der Gr. Mühlenstr. 11/12 weitergeführt wird.
Neben dem Geschäftsbetrieb wächst eine Familie heran: am 6. März 1898 wird der Sohn Heinrich in Magdeburg geboren, 1901 die Tochter Frieda (die zum Leidwesen aller bereits nach 9 Tagen am 14. Juni verstirbt), am 24. Februar 1903 der Sohn Victor.
Die Firma entwickelt sich derweil zur auf dem Sektor führenden in der Provinz Sachsen, importiert im großen Stil aus Dänemark, Holland, Polen und Ungarn, 1916 wird Hornig Mitinhaber der Lebensmittelverteilungsstelle der Provinz und die Firma von Bedeutung in der staatlichen Nahrungsmittelbewirtschaftung im 1. Weltkrieg.
In den frühen Zwanziger Jahren kann die Familie als ausgesprochen wohlhabend gelten, die Hornigs erwerben 1923 das Haus Königgrätzer Str. 5 (wo sie auch Wohnung nehmen), werden Miteigentümer einer Immobilie Breiter Weg 99.
Einen weiteren schmerzlichen Einschnitt erfährt das Familienleben allerdings nach dem Tod der Tochter 1924, als der Sohn Heinrich, inzwischen candidatus medicinae, am 12. Februar verstirbt.
1929 verlegen Hornigs ihren Betrieb in die Viktoriastr. 4 – und werden von einem weiteren Schicksalsschlag heimgesucht: am 19. Juni stirbt Jenny Hornig in der Krankenanstalt Sudenburg im Alter von 61 Jahren.
Der heraufziehende Nationalsozialismus hält weitere Drangsal für Salomon Hornig bereit: 1934 erfolgt die erzwungene Schließung des Geschäfts, das der Geschäftsführer Siegmund übernimmt. Bald ist Salomon Hornig zudem gezwungen, das Grundstück in der Königgrätzer Str. 5 zu veräußern, anstatt des Marktwerts von 180.000 RM erhält er lediglich 135.000 RM und muß außerdem 8.000 RM „Reichszuwachssteuer“ entrichten.
Eine der wenigen Freuden wird ihm in dieser Zeit der Sohn Viktor gewesen sein, der sein Studium an der Technischen Hochschule Charlottenburg als Diplom-Ingenieur abschließen kann. 1935 hat er sich zunächst mit der am 15. Juni 1913 in Wuppertal geborenen Ellen Holstein verlobt und geheiratet. Leben die beiden zunächst in Solingen, so entschließen sie sich bald, Deutschland zu verlassen: am 27. August 1937 ist es soweit, sie verlassen das Land und gehen nach England, wo sie sich in Birmingham niederlassen. Salomon Hornig will ihnen baldmöglichst folgen, schafft mit einem Lift der Fa. Rudolph und Sohn 2.460 kg Güter nach Rotterdam und zahlt dafür am 29. August 1939 allein 11.000 RM für Neuanschaffungen an die Berliner Golddiskontobank. Hornig beteiligt sich – sicher in der Hoffnung, damit habe sein Auswanderungsansinnen stärkeres Gewicht und er könne bald seinen im August 1940 geborenen Enkel Andrew in Augenschein nehmen – mit einem Betrag von 100.000 RM an einem so genannten Transfer-Kredit der Rheinmetall-Borsig AG. (Seinerzeit wird sein Gesamtvermögen auf 336.370 RM taxiert.)
An die Schwiegertochter schreibt er am 6. November 1940:
„Von mir kann ich Dir weiter nur gutes berichten, gesundheitlich sowie wirtschaftlich, da ich vorläufig nicht auswandern kann, werde ich auch wohl die Fluchtsteuer zurückbekommen, auch sagte mir der Bankier, daß mein Transfer evt. prolongiert werden würde über den 6. Juni, wollen hoffen. Die holländische Bank schrieb mir ich könnte mir schon für 1939 ca. 400 Holländische Gulden abholen, aber ich muß erst ausgewandert sein. Leider läßt Italien auch nicht rein, wollen abwarten und hoffen."
Ganz gegenteilige Entwicklungen beeinträchtigen tatsächlich Salomon Hornigs Leben: seit dem 19. September 1941 hat er den „Judenstern“ zu tragen. Hornig – inzwischen aus der Königgrätzer Str. 5 in die Gr. Mühlenstr. 11/12, die zu einem der so genannten Judenhäuser Magdeburgs geworden ist, eingewiesen - unterzeichnet am 2. November 1942 den von der Reichsvereinigung der Juden ausgefertigten „Heimeinkaufsvertag“ H V/524 und kauft sich mit 95.698,35 RM in die Unterbringung in Theresienstadt ein, tritt die Grundschuld auf die Immobilie Breiter Weg 99 in Höhe von 40.000 RM ab. Am 25. November 1942 erfolgt mit dem Transport XX/2-74 die Deportation in das als „Altersghetto“ verklärte KZ Theresienstadt, wo Salomon Hornig knapp neun Monate später, am 21. August 1943 zu Tode kommt.
David Apter, für den ein Stolperstein in der Sieverstorstr. 40 verlegt wird, stammt aus Tarnopol in galizischen Podolien, einem historischen Gebiet, damals zur K.u.k. Monarchie gehörend, heute in der südwestlichen Ukraine und im nordöstlichen Teil der Republik Moldau gelegen, landwirtschaftlich geprägt, flach bis hügelig und von canyonartigen Flusstälern durchzogen. Die jüdische Besiedlung begann unmittelbar nach der Gründung der Stadt 1540. Das Privileg, das seinerzeit der polnische König den Juden 1550 verlieh, beinhaltete die Erlaubnis, in allen Teilen der Stadt mit Ausnahme des Marktplatzes zu wohnen. 1869 – David Apter wurde am 26. Mai 1874 dort geboren - lebten in Tarnopol 11.000 Juden und machten 52 % der Gesamtbevölkerung aus. Mit der Aufösung der Habsburgermonarchie wurde in Tarnopol eine ukrainische Regierung gebildet. Der Ort als Ganzes – so die gängige Meinung – zeichnete sich durch Toleranz zwischen Juden, Polen und Ukrainern aus. Es gab sogar einige Straßen, die nach berühmten Juden benannt worden waren. Das änderte sich zwei Wochen nach Ausbruch des 1. Weltkrieges, als die russische Armee Tarnopol besetzte. Viele Juden fohen aus der Stadt, um nicht zur Zwangsarbeit herangezogen zu werden.
Auch David Apter verlässt die Stadt und seine Familie, zu der neben den Eltern, dem Metallarbeiter Samuel Marcus Apter und der Mutter Lea die Schwestern Sarah (*1869), Mamcze (*1871) und die Brüder Chaim (*1876-1912) und Moses, später Mathias (*1882) gehören. David Apter zieht es nach Deutschland, er wird Vertreter für Weingroßhandlungen, so u.a. für die Weingroßhandlung Gellert & Glaser in Dresden und geht bald darauf die Ehe mit der am 15. Januar 1870 in Wien geborenen Johanna Plamm ein. Die Ehe scheitert bald, schon 1912 lernt er die am 9. April 1892 in Magdeburg geborene Schneiderin Elisabeth Auguste Emma Graun kennen und lässt sich in Magdeburg nieder. 1916 wird er zum Militär eingezogen, aus dem Krieg kehrt er im Oktober 1918 mit einer Kriegsverletzung (er ist auf einem Auge erblindet) zurück, inzwischen hat Elisabeth Graun den am 23. März 1917 geborenen Sohn Hans-Georg zur Welt gebracht. 1919 zieht das Paar in die Sieverstorstr. 40. Auch der Bruder Moses, der sich nun Mathias nennt, zieht in das Haus in Magdeburgs Alter Neustadt und widmet sich dort seinen Geschäften. Ein weiteres Kind, die Tochter Ruth, wird am 25. September 1921 geboren, ein weiterer Sohn stirbt im Mai 1930 nach der Geburt.
Die gemeinsamen Bemühungen um eine Heirat scheitern am Widerstand von Johanna Apter, die am 3. Dezember 1932 in Wien verstirbt, immerhin wird die Scheidung nachträglich zum 20. März 1901 rechtskräftig. 1935 tritt Elisabeth Graun aus der evangelischen Kirche aus, aber die Zeiten sind längst nicht mehr geeignet, eine Ehe einzugehen, das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre („Blutschutzgesetz“), das am 15. September 1935 erlassen wurde, verbietet Eheschließungen zwischen „Deutschblütigen“ und Juden, stellte außereheliche Beziehungen zwischen ihnen als „Rassenschande“ unter Strafe.
David Apter erhält noch am 14. Februar 1936 vom Polizeipräsidenten der Stadt Magdeburg eine Legitimationskarte für Kaufeute, Handlungsreisende und Handlungsagenten, die ihm erlaubt, Bestellungen auf Weine und Spirituosen entgegen zu nehmen und er ist für die Weingroßkellerei Schröder & Co. in Cottbus tätig. Doch seit 1937 darf er nicht mehr reisen und wird arbeitslos, Elisabeth Graun ist gezwungen, Haushaltsgegenstände zu veräußern und nimmt eine Arbeit in einer Sack- und Planenfabrik an.
David Apter wird am 28. Oktober 1938 eines der Opfer der so genannten „Polenaktion“, bei der 15-17.000 Juden polnischer Staatsangehörigkeit aus Deutschland ausgewiesen und an die polnische Grenze transportiert werden. In Bentschen/Zbąszyń kommt er zunächst in einer Mühle unter, bevor er am 27. Juli 1939 die Erlaubnis zur Rückkehr nach Magdeburg erhält, um seine Geschäfte zu regeln. An der Rückreise wird er allerdings gehindert, am 9. September 1939 verhaftet und in die Heilanstalt Jerichow, Krs. Genthin eingeliefert. Dort stirbt er am 29. Februar 1940.
Elisabeth Apter und die Tochter Ruth geben 1965 zu Protokoll:
„... ist es mir nach großen Schwierigkeiten gelungen, den Leichnam meines Mannes David Apter freizubekommen, um ihn auf dem jüdischen Friedhof in Magdeburg beizusetzen. Dem damaligen Friedhofsverwalter Herrn Behrendsohn war es streng verboten, den Sarg zu öffnen. Herr Behrendsohn machte mich und meine Tochter extra darauf aufmerksam. Da wir jedoch meinen Mann bzw. meinen Vater noch einmal sehen wollten, versprachen wir Herrn Behrendsohn unter größter Verschwiegenheit, den Sarg zu öffnen. Mein Mann lag nur in einem weißen Leinentuch eingeschlagen im Sarg, so daß wir die Möglichkeit hatten, ihn genau anzusehen. Wir stellten fest, daß er eine klaffende Wunde an der linken Schläfe hatte und beide Knien blutverkrustet waren. Nach unserer Schätzung hatte mein Mann noch ein Gewicht von ca. 70 Pfund so abgemagert war er, denn bei seiner Verhaftung hatte er noch ein Gewicht von ca. 140 Pfund."
David Apter wird auf dem Israelitischen Friedhof bestattet. Elisabeth Graun kann noch bis 1943 ihrer Arbeit nachgehen. Nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft erhält sie als „Verfolgte des Naziregimes“ (VdN) ab 1. Dezember 1950 eine Rente. Sie folgt ihren Kindern am 7. Oktober 1959 in den Westen Deutschlands, wo ihr am 16. April 1962 die Anerkennung der gesetzlichen Ehe mit David Apter mit Wirkung vom 22. November 1935 gewährt wird. Sie stirbt am 13. September 1969 in Düsseldorf-Benrath. Der Bruder Moses (Mathias) Apter, der zuletzt mit seiner Frau Meta in Berlin lebt, wird am 13. September 1939 in das KZ Sachsenhausen deportiert, wo er am 27. November 1939 ermordet wird.
Die Gedenkblätter zu den verlegten Stolpersteinen werden im Rathaus im Magdeburger Gedenkbuch ausliegen und können dort eingesehen werden. Digital sind sie dann - wie der digitale Stadtplan mit den Verlegeorten der Stolpersteine - auf der Internetseite der Landeshauptstadt Magdeburg zu finden sein: www.magdeburg.de/
- Details
34. Verlegung von Stolpersteinen in Magdeburg am 8. Juni 2022
Wie die städtische Arbeitsgruppe „Stolpersteine für Magdeburg“ beim Kulturbüro der Landeshauptstadt mitteilt, wird am Mittwoch, dem 8. Juni 2022, eine weitere Stolpersteinverlegung in der Stadt stattfinden, an der auch Angehörige der Opfer, deren gedacht wird, aus den USA und Israel teilnehmen werden.
Der Verlegeplan am 8. Juni
09.00 Uhr | Ruth Mühlmann, Walbecker Str. 37 ( ![]() |
09.30 Uhr | Georg, Isidor, Pauline und Sigmund Lippmann, Schöninger Str. 27a |
09.50 Uhr | Robert Lopian, St. Michael-Str. 57 |
10.10 Uhr | Alfred Michel und Margarete Herrmann sowie Marie Valesca Asch, Schneidersgarten 2 |
10.40 Uhr | Henoch Heinrich, Meier Wolfgang, Suzanne und Taube Antonia Keller, Schleinufer 20 (früher Fürstenufer 20) |
11.10 Uhr | Beile Bela, Jacob, Margareta Margot und Moshe Manfried Erreich, Johannisbergstr., gegenüber der Johanniskirche (früher Johannisbergstr. 7b) |
11.35 Uhr | Eva Wiethaus, Kantstr./Osteingang City-Carre (früher OvG-Str. 16) |
11.55 Uhr | Frieda Cohn und Hedwig Zehden, Kantstr. 6, Westeingang City-Carre, neben dem Kino (früher Kantstr. 12) |
12.20 Uhr | Chemia und Rosa Brustawitzki, Brandenburger Str. 2a (![]() |
12.55 Uhr | Ester und Khaim Imbermann, Bei der Hauptwache/Ecke Julius-Bremer-Str. (früher Neuer Weg 18) |
13.15 Uhr | Minna und Schimon Weinber, Jakobstraße/nahe Johanniskirch-Parkplatz (früher Spiegelbrücke 3) |
13.35 Uhr | Rosa Schaffranke, Jakobstraße, zwischen Nr. 22 und 28 (früher Jakobstr. 14) (![]() |
13.55 Uhr | Chaim Baruch, David und Helene Brustawitzki, Jakobstr., zwischen Nr. 28 und 34 ((früher Kleine Klosterstr. 2) |
14.35 Uhr | Edith, Ernst Erich, Moritz und Paul Crohn, nördlich Oststr. 1 (früher Oststr. 6) |
Die 20-jährige Ruth Mühlmann wurde im Rahmen der so genannten „Aktion T4" am 31. März 1941 aus der Heil- und Pflegeanstalt Altscherbitz bei Leipzig in die Tötungsanstalt Bernburg deportiert und noch am gleichen Tag in einer Gaskammer ermordet. Zu den 33 Mitbürgern jüdischer Herkunft, für die Gedenksteine verlegt werden, gehören allein fünf Angehörige der Familie Brustawitzki.
Chemia Brustawitzki (* 1876) und seine Frau Rosa (* 1875), geb. Zabielowicz, stammen aus Kolno unweit von Bialystok in Podlachien, um die Wende des vorigen Jahrhunderts in Russland gelegen. Schon im 17. Jahrhundert hatten sich dort die ersten Juden niedergelassen, Mitte des 19. Jahrhunderts machten sie die Mehrheit der Stadtbevölkerung aus.
Chemia Brustawitzki (oder Brzostowiecki wie der ursprüngliche Familienname lautet) ist Pferdehändler am Ort. Die jüdischen Pferdehändler verfügen über intensive Kontakte ins Ausland, wo man großes Interesse an den mächtigen polnischen Arbeitspferden hat. Bei Ausbruch des 1. Weltkriegs befindet er sich mit seiner Ehefrau auf Geschäftsreise, ihre Kinder, die halbwüchsigen Chaim Baruch (* 1898) und Inda (* 1899), die Söhne Motek (* 1906) und Abram (* 1908) sowie die Tochter Susan (* 1912) bleiben zuhause in der Obhut Verwandter zurück.
Der Sohn Motek erinnert sich im Herbst 1995 (er führt längst den Namen Max Brusto) im Gespräch mit Herbert Kapfer an seinen Geburtsort:
Vom Marktplatz sieht man die einzelnen Landstraßen; die eine, nach Westen, führt nach Ostpreußen, die entgegengesetzte nach dem Innern Polens. Mein Städtchen besteht aus fünf Buchstaben, aus einigen Tausend jüdischen und christlichen Seelen; es hat einen viereckigen Marktplatz, auf dem zweimal in der Woche Markt abgehalten wird, eine Synagoge, eine russische und eine polnische Kirche und eine christliche und eine jüdische Schule. Neben der jüdischen Schule ist ein großer Platz, auf dem Vieh- und Pferdemärkte abgehalten werden. Auf diesem Platz erfuhr ich zum erstenmal - ich mag damals sechs Jahre alt gewesen sein - daß es auf der Welt Christen und Juden gibt. Zwei Burschen, Söhne eines armen polnischen Bauern, riefen mir, als ich über den Platz ging, "Jude" zu und warfen nach mir mit Steinen. Wer war an diesem Steinwurf schuld? Der Zar, der den polnischen Bauern ihre Freiheit nicht wiedergeben wollte und ihnen sagte, die Juden seien schuld, oder mein Onkel aus Lomza, der den Platz gepflastert und einen Haufen Steine zurückgelassen hatte?
In Magdeburg wird das Paar alsbald als Kriegsgefangene interniert. Da sie über Geldmittel verfügen und Rosa Brustawitzki kurz vor der Niederkunft steht, wird ihnen erlaubt, in der Stadt ein Privatzimmer in der Marschallstraße anzumieten, wo am 31. Oktober 1914 die Tochter Eva zur Welt kommt. Rosa Brustawitzki erhält die Genehmigung, für die zahlreichen Kriegsgefangenen jüdischer Herkunft koscheres Essen anzubieten, bald wird dem Paar gestattet, eine größere Wohnung in der Großen Schulstr. 15 zu beziehen und sie können die Kinder nachholen.
Die in der Wohnung gelegene Speiseanstalt mit koscherem Mittagstisch findet schnell großen Anklang, bald sind die Räumlichkeiten zu beengt und schon 1921 kann in der Brandenburger Str. 2 ein Hotel und Restaurant (mit „streng ritueller Küche“, „1 Minute vom Hauptbahnhof“) eröffnet werden. Auch hat sich die Familie weiter vergrößert: 1918 wird der Sohn David Isaak, Egon genannt, geboren.
Auch die Tochter Inda wird Mutter: 1919 kommt in Magdeburg ihr Sohn Nachmann zur Welt. Chaim Baruch Brustawitzki, der sich im Mai 1920 mit der aus Magdeburg stammenden Helene Limmer verlobt hat – voller Stolz gibt er 100 RM als Spende für 10 Bäume im Herzlwald in Palästina – heiratet am 1922 in Halle, die Hochzeitsgesellschaft gibt weitere 745 RM für die Aufforstungsinitiative in Erez Israel. Die Eheleute lassen sich in der Kleinen Klosterstr. 2 nieder, wo am 1. November der Sohn David zur Welt kommt und Chaim Baruch Brustawitzki im Bekleidungsstoffhandel tätig wird.
Motek Brustawitzki wechselt nach Hamburg, wo er als Journalist arbeitet, nimmt lebhaften Anteil an der zionistischen Bewegung und besucht den jüdischen Biro-Bidschaner Nationalrajon in der UdSSR.
Abram Brustawitzki, gleichfalls als Journalist tätig, hat sich schon in Magdeburg der KPD angeschlossen und übersiedelt 1932 in die UdSSR, nach Moskau, später nach Leningrad.
Die Tochter Inda, nach kurzer Ehe mit Zabel Kaplan, aus der 1930 der Sohn Bernhard hervorgeht, lebt mit dem Innenarchitekten Gerhard Lück in der Großen Münzstr. 15 zusammen und betreibt dort ein Herrenstoffgeschäft. Und auch sportlich machen sich Familienangehörigen einen Namen: im jüdischen Sportverein Bar Kochba erzielen sie im Handball und Hochsprung respektable Leistungen.
Das Geschäfte der Altvorderen in der Brandenburger Str. prosperieren derweil, zwischen 1930 und 1933 beträgt der jährliche Umsatz im Durchschnitt 100.000 RM, selbstredend ist Chemia Brustawitzki Mitglied des Vereins jüdischer Hotelbesitzer und Restaurateure e.V.
Doch schon am 8. März 1933 wird der Betrieb von SA-Leuten überfallen, die Einrichtung zertrümmert, Gäste verletzt.
Eva Brustawitzi, damals 18 Jahre alt, erinnert sich 1965 an die Ereignisse als wären sie gerade geschehen:
Am Abend des 8. März 1933 war unser Hotel komplett besetzt und der Grossteil der Gäste hielt sich im Restaurant auf. Während ich gerade in der Halle telephonieren wollte, ging die Eingangstür auf und ich sah einen Haufen SA-Männer auf mich zukommen, die alle Revolver und einige, die auch noch Messer in der Hand hielten. Leider schrie ich nicht, um Alarm zu schlagen, sondern griff nach dem Telephonhörer, um die Polizei zurufen, worauf mir sofort einer den Hoerer aus der Hand schlug. Inzwischen waren die anderen schon in das Lokal eingedrungen und ich hoerte lautes Schreien und Schuesse. Als ich mich meiner Eltern erinnerte, rannte ich in das Lokal und sah einen SA-Mann auf einen am Boden liegenden Italiener einstechen, einer schoss gerade hinter meiner Schwaegerin Helene hinterher, die anscheinend als Letzte den Gang zur Kueche entlang lief. Ich fiel ihm in den Arm, so streifte sie der Schuss nur am Hacken und ging in die Wand. Der SA-Mann stiess mich beiseite, so kam es, dass ich meine Mutter ganz allein im Hauptsaal stehen sah und natuerlich sofort zu ihr lief. Wir hielten uns umschlungen und wurden beide nicht angegriffen. Ein langjaehriger Gast, der Sohn eines Schweizer Konsuls, lag ueber einem Stuhl und blutete stark aus einer Kopfwunde. Alles war blutverspritzt, die Waende, der Fussboden und die Tischtuecher, wie in Blut getaucht.
Die SA-Leute rotteten sich an der Tuer zusammen und ich hoffte schon, dass sie gingen und alles vorbei waere. Ploetzlich trat einer aus der Reihe, ergriff einen Stuhl und warf ihn krachend ins Büffet und als ob dies ein Signal gewesen waere, griffen sie alle zu Stühlen und zertrümmerten systematisch den ganzen Betrieb. Nicht ein Spiegel, Bild, Tisch, Stuhl oder Vitrine blieben ganz, alle Flaschen, Teller, Gläser waren zertrümmert. Als aber auch nichts mehr ganz war, zogen sie plötzlich ab.
Nachdem die Schäden repariert sind und das Haus wieder eröffnet, zwingt ein SA-Kommando am 1. April alle Gäste auszuziehen. Erst im Juni wird wieder eröffnet.
Diese Ereignisse sind für die meisten Familienmitglieder Veranlassung genug, Deutschland zu verlassen: der Sohn Motek entschließt sich, von Hamburg nach Frankreich zu wechseln, die Tochter Inda reist mit Familie 1936 nach Uruguay aus, die Tochter Eva mit Ehemann Werner Heinz Hülse nach Buenos Aires in Argentinien, wo schließlich auch der Sohn David Isaak anlangt. Die Tochter Susan übersiedelt mit Ehemann Rudolph Richard Waldapfel Valas in die USA.
Abram Brustawitzki, der unter A. Brustow publiziert, gehört in Rußland der Länderkommission der Internationalen Vereinigung Revolutionärer Schriftsteller (IVRS) an und ist Feuilletonredakteur der „Rote Zeitung". Am 21. Mai 1936 wird er verhaftet und am 22. September von einer „Sonderberatung" des NKWD nach § 58(10) des Strafgesetzbuches wegen antisowjetischer Propaganda und Agitation zu 5 Jahren „Besserungsarbeitslager" verurteilt. Sein weiteres Schicksal ist unbekannt.
Für die in Deutschland Zurückgebliebenen wächst die Drangsal weiter: das Grundstück in der Brandenburger Str. muss „an die Stadtgemeinde aufgelassen“, das Hotel verkauft werden, das bald zum Judenhaus wird. Im Verlauf der „Polen-Aktion“ im Oktober 1938 werden Chemia und Chaim Baruch Brustawitzki, später auch Rosa, Helene und David nach Bentschen/Zbąszyń an die polnische Grenze deportiert. Sie erhalten die Erlaubnis, für kurze Zeit nach Magdeburg zurückzukehren, um ihre Angelegenheiten zu regeln, werden allerdings dann wieder nach Polen ausgewiesen. Die letzte Nachricht, die die Familienangehörigen im Ausland erreicht, datiert vom 7. März 1940 aus Kolno.
Schon während der sowjetischen Besatzungszeit waren viele Juden in Kolno Deportationen zum Opfer gefallen. Am 22. Juni 1941 besetzen deutsche Fallschirmspringer die Stadt. Eine spezielle deutsche Exekutionsgruppe vollführt das erste Pogrom. Am 4. Juli ermordet eine „Menge von Polen“ 37 Juden, vergewaltigt Frauen und raubt jüdisches Eigentum. Am 15. Juli 1941 erschiessen die Deutschen jüdische Männer der Stadt. Am 18. Juli 1941 führen sie alle jüdischen Frauen und Kinder in das Dorf Mściwoje. Dort gibt es Massenhinrichtungen von Juden, es sterben mehr als 2.000. Auch diejenigen, die von Kolno ins nahegelegene Lomza fliehen, weil sie glauben, in einer Großstadt sicherer zu sein, werden nicht verschont: alle Juden aus dem dortigen Ghetto werden nach Auschwitz transportiert, wo sie ihr Ende finden. Von den Angehörigen der Familie Brustawitzki, die nach Kolno gelangt waren, hat niemand überlebt.
Motek Brustawitzki, jetzt Max Brusto und Schriftsteller, 1942 in Paris, dann in Nizza lebend, flieht vor den Deutschen über den Genfersee in die Schweiz, wo er in Auffang- und Arbeitslagern interniert wird. Nach Ende des Krieges kehrt er nach Frankreich zurück.
Die Gedenkblätter zu den 664 insgesamt in Magdeburg verlegten Stolpersteinen liegen im Rathaus im Magdeburger Gedenkbuch aus und können dort eingesehen werden. Digital sind sie - wie der digitale Stadtplan mit den Verlegeorten der Stolpersteine - auf der Internetseite der Landeshauptstadt Magdeburg zu finden: www.magdeburg.de/
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Am 25. Mai 2022 werden im Stadtgebiet Hannovers wieder Stolpersteine verlegt
Das ZeitZentrum Zivilcourage der Stadt Hannover hat angekündigt, dass am 25. Mai erneut Stolpersteine von Gunter Demnig im Stadtgebiet verlegt werden. Die Verlegung der 30 Steine beginnt um 9.00 Uhr mit der Setzung von Stolpersteinen für Johanna und Dr. med. Sigmund Kohn vor dem Haus Limmerstr. 2D im Stadtbezirk Linden-Limmer.
Der am 14. Juli 1877 in Hohensalza (Provinz Posen, heute Inowrocław/Polen) geborene Sohn eines Rabbiners studierte Medizin in Breslau, Berlin und Freiburg, wo er im Januar 1903 das ärztliche Staatsexamen bestand, mit der Dissertation "Zur Kasuistik der mit Darmverletzung komplizierten Beckenfrakturen" promoviert wurde und die ärztliche Approbation erhielt. Anschließend arbeitete er an der Universitäts-Kinderklinik in Berlin.
Seit 1907 war Dr. Kohn in Hannover-Linden als Praktischer Arzt und Kinderarzt im Haus Limmerstr. 2 D tätig. Am 10. August 1914 heiratete er in Hamburg die am 24. September 1889 dort geborene Johanna Cohn. Am 15. Mai 1915 wurde in Hannover die Tochter Ursula geboren, drei Jahre später, am 8. April 1918, die Tochter Ilse Ludovica.
Nach 1938 wurde Dr. Kohn die weitere Berufsausübung gestattet. Im September 1941 wurden seine Ehefrau und er in das "Judenhaus" Wunstorfer Str. 16 A eingewiesen, im Oktober in das Jüdische Krankenhaus Ellernstr. 16, im Februar 1942 schließlich in das Massenquartier in der Gartenbauschule Ahlem. Dort nahm sich Dr. Sigmund Kohn am 14. Februar 1942 das Leben. Johanna Kohn wurde am 31. März 1942 in das Warschauer Ghetto verschleppt und gilt als verschollen.
Den Töchtern gelang es, aus Deutschland zu entkommen, Ursula Kohn, später Jonas, lebte bis zu ihrem Tod 1967 in Chile, Ilse Ludovica Kohn, später Ellis, verstarb 1981 in England.
Seit 2008 erinnert ein Denkmal im Ärztehaus Hannover an 15 hannoversche Ärztinnen und Ärzte, die durch den Naziterror den Tod fanden. Dr. Kohn ist einer von ihnen. Eine Broschüre, die in Kürze in neuer Auflage erscheinen soll, informiert über deren Schicksal im Detail http://netzwerk-erinnerungundzukunft.de/wp-content/uploads/2018/01/Juedische_Aerzte_Hannover.pdf. Das Denkmal soll nach Fertigstellung des Ärztehaus-Neubaus an der Berliner Allee 20 zum Ende des Jahres an prominenter Stelle seinen Platz finden.
Im Rahmen eines im Oktober 2020 gestarteten Projekts der Stadtbibliothek Hannover wurden die Zugänge der Bibliothek aus der Zeit 1933 bis 1945 (insgesamt 55.675 Inventarnummern) systematisch auf NS-Raubgut geprüft. Dabei konnte auch ein ursprünglich im Besitz von Dr. Sigmund Kohn befindliches Werk identifiziert werden, dass die Bibliothek 1946 aus Beständen des NSDAP-Gauarchivs Südhannover-Braunschweig "übernommen" hatte https://www.hannover.de/Leben-in-der-Region-Hannover/Bildung/Bibliotheken-Archive/Stadtbibliothek-Hannover/Wir-%C3%BCber-uns/Provenienzforschung-in-der-Stadtbibliothek-Hannover/Offene-F%C3%A4lle/Dr.-Sigmund-Kohn.
Die weiteren Stolpersteinverlegungen am 25. Mai 2022 in Hannover
In der Alemannstr. 18 im Stadtbezirk Vahrenwald-List wird gegen 9.35 Uhr ein Gedenkstein für den am 15. Januar 1943 hingerichteten Deserteur Karl-Heinz Bleifeld verlegt, um etwa 10 Uhr in der Vahrenwalder Str. 290 Stolpersteine für die jüdischen Familien Magnus, Rottenberg und Wolff. Es folgt um 10.40 Uhr in der Brahmsstr. 4 die Verlegung der Steine für Joseph und Friedel Schorsch, anschließend gegen 11.05 Uhr in der Bödekerstr. 100 für die Familien Simon und Grünenbaum.
Gegen 11.30 Uhr soll in der Seumestraße 1A die Stolpersteinverlegung für den Widerstandskämpfer Fritz Lohmeyer stattfinden, danach, um 11.55 Uhr, werden Steine für die Familien Rose und Golab in der Fundstr. 10 verlegt, in der Karmarschstr. 32 für die Familie Storch und zum Abschluss um 12.50 Uhr in der Hindenburgstr. für die Familie Loebenstein.
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Terroropfer = жертвы террора - Dokumentation der Schicksale deutschsprachiger Opfer der staatlichen Willkür im Machtbereich der UdSSR
"Terroropfer = жертвы террора" ist eine Dokumentation der Schicksale deutschsprachiger Opfer der staatlichen Willkür im Machtbereich der UdSSR. Dies sind vor allem Arbeiter und Spezialisten, die in die UdSSR zuwanderten sowie Politemigranten.
Wladislaw Hedeler errechnet in "Chronik der Moskauer Schauprozesse 1936, 1937 und 1938" (Berlin 2003, S. 277) allein für die Zeit zwischen August 1937 bis November 1938 eine Zahl von 556.360 außergerichtlichen Todesurteilen nach NKWD-Massenoperationen, als Opfer der so genannten "Deutschen-Operation" 41.898. Die geschätzt 4.600 Politemigranten in der Sowjetunion galten zu siebzig Prozent als der Spionage verdächtig und wurden entsprechend repressiert, 261 Erschießungen, 126 sonstige Todesfälle und 192 Auslieferungen an die Gestapo sind verbürgt (Stand 1997; vgl. Wilfriede Otto: Visionen zwischen Hoffnung und Täuschung. In: Thomas Klein, Wilfriede Otto u. Peter Grieder: Visionen. Teil I. Frankfurt/Oder 1996, S. 137-336).
zur Dokumentation "Terroropfer = жертвы террора"
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Bückeberg ist überall
Das stimmt natürlich nicht, denn den Bückeberg soll es in Deutschland nur viermal geben: einen bei Eschwege, einen bei Gernrode, einen als Teil der Bückeberge im Calenberger Bergland, das zum Landkreis Schaumburg gehört und schließlich einen bei Emmerthal im Landkreis Hameln-Pyrmont.
Um den Letztgenannten ist jüngst eine heftige Debatte entbrannt, war er doch zur Zeit des Nationalsozialismus Ort der von 1933 bis 1937 stattfindenden "Reichserntedankfeste", eine der größten Massenveranstaltungen der Faschisten, an der auch Adolf Hitler teilnahm.
Der nach den Plänen von Albert Speer gestaltete "Reichsthingplatz" mit Rednertribüne auf der einen Seite, Ehrentribüne auf der Anhöhe und dem dorthin führenden Mittel- oder "Führerweg", der mitten über den Platz führt, steht heute unter Denkmalschutz und soll zu einer Dokumentations- und Lernstätte umgestaltet werden.
Nach Ansicht von Experten ermöglicht eine solche Stätte, "Geschichte(n) zu erzählen, die einerseits sehr fremdartig anmuteten, andererseits aber auch Vertrautes enthielten und so auch Prozesse vorsichtiger Identifizierung und Selbstbefragung ermöglichten. An Orten wie dem Bückeberg sei Zugang zur NS-Thematik vergleichsweise leichter herzustellen als in KZ-Gedenkstätten" (Michele Baricelli), allerdings müsse "der Rückhalt in der Bevölkerung gesichert" (Stefan Küblböck) sein.
Und genau daran hapert es ganz heftig: Im März diesen Jahres stimmte der Kreistag des Landkreises Hameln-Pyrmont zwar mit einer knappen Mehrheit dem Konzept einer Dokumentations- und Lernstätte mit befestigten Wegen und Informationstafeln auf dem Bückeberg zu. Allerdings lehnte der Rat der Samtgemeinde Emmerthal das Vorhaben mehrheitlich ab.
Jüngst präsentierten die beteiligten Kommunalpolitiker einen "Kompromiss": Statt den Berg auf Hitlers Paradestrecke zu besteigen, sollen sich Besucher quasi von hinten direkt der Bergkuppe und damit dem Ort der Rednertribüne nähern. Der untere Bereich des 160 Meter hohen Berges wird nicht verändert, die Wege nicht befestigt, eine Wiese weiterhin landwirtschaftlich genutzt und schließlich soll ein Teil der geplanten Ausstellung in das nahegelegene Museum für Landarbeit und Landtechnik in Börry integriert werden. Ein Witz!
Das Konzept des Vereins für regionale Kultur- und Zeitgeschichte um den Historiker und Theologen Bernhard Gelderblom basierte aber gerade darauf, den Besuchern die Inszenierung der Nazis sinnfällig zu verdeutlichen: Der 800 Meter lange Anstieg vom Fuß des Berges - der in Emmerthal liegt - zur höher gelegenen Rednertribüne soll nun flach fallen und die Emmerthaler durch den Einstieg der Besucher an der Bergkuppe geschont werden.
Dabei scheuen die Gegner des Konzepts nicht davor zurück, fragwürdige Argumente ins Feld zu führen, wie das, dass man keine Wallfahrtstätte für Neonazis schaffen wolle (wie es das Winkler-Bad in Bad Nenndorf oder die Grabstätten der von den Briten hingerichteten Kriegsverbrecher in Hameln waren). Nun geht es bei dem Ereignisort des Reichserntedankfestes nicht um eine Stätte, die sich als eine des Martyriums von den Ewiggestrigen verwerten ließe, sondern vielmehr um einen erlebbaren Ort der Vereinigung von Volk und "Führer" - mit dem aber nach dem Willen der Ortsansässigen und Kommunalpolitiker nicht konfrontiert werden und das möglichst an die Peripherie verbannt bleiben soll. Dabei: Um wieviel leichter wäre es - wenn man dem ursprünglichen Plan folgte -, die Mechanismen der Massenbeeinflussung zu verstehen und ihnen womöglich - auch in ihrer aktuellen Ausprägung - zu widerstehen?
Keine Zeit für Zumutungen - wie es scheint. Nicht nur die Emmerthaler waren Zeugen und Teilnehmer des von den Nazis inszenierten Massenspektakels Reichserntedankfest: Bis zu 1,3 Millionen Menschen - sicher überwiegend bäuerlicher Herkunft - kamen auf dem Gelände zusammen. Das darf erzählt, damit darf man direkt konfrontiert werden, wobei sicher die Gedenkstätte Bergen-Belsen als anschauliches Beispiel für ein gelungenes Konzept dienen kann, sind doch auch dort Gräuel nur noch in Andeutungen sichtbar.
"Bückeberg ist überall" meint etwas anderes: Überall kann man in Zeiten von überbordendem Populismus dieses Zurückweichen vor dem vermeintlichen Volkswillen konstatieren, sei es im Bauhaus, in Chemnitz oder anderswo. Und das ist höchst unerfreulich.
Nicht nur dem passionierten Naturfreund sei übrigens angeraten, mindestens den Emmerthaler, aber auch den Schaumburger Bückeberg zu besuchen (meinetwegen auch die beiden anderen) und sich vor Ort ein Bild von Örtlichkeiten und den Befindlichkeiten der Anwohner zu verschaffen.
Auch in Schaumburg finden sich reichlich vergessene, eliminierte oder nur mit großen Mühen bezeichnete Orte. Man denke nur an das Synagogengebäude in Obernkirchen, das 1970 (!) abgerissen wurde. Zwölf Jahre warteten Antragsteller auf eine Tafel auf dem so genannten "Russenfriedhof" Am Horn in Rehren, 14 Jahre auf eine Informationstafel für die Zwangsarbeiter des Steinbruchs Steinbergen auf dem reformierten Friedhof in Bückeburg, 17 Jahre auf die Errichtung einer Gedenkstätte für die Zwangsarbeiter im Steinbruch selbst, gar 22 Jahre bis auf dem jüdischen Friedhof in Hattendorf eine Informationstafel für die Zwangsarbeiter im Auetal aufgestellt wurde.
Und auch das Vorhaben anders enden können als gedacht, weiss man im Schaumburgischen: Das ehemalige Synagogengebäude in Bückeburg "zierte" bis vor kurzem folgender Text: "Dieses Gebäude diente von seiner Erbauung 1866 bis zum 9.11.1938 als Synagoge." Geplant war: "Dieses Gebäude wurde 1866 als Synagoge erbaut. Mit dem 9.11.1938 erlosch das Leben der jüdischen Gemeinde Bückeburg. Das Schicksal der jüdischen Mitbürger mahne unser Gewissen an die Wahrung von Menschlichkeit und Recht.“
Weitere Informationen: www.dokumentation-bueckeberg.de/
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Gegen das Vergessen - Am 26. September werden 20 weitere Stolpersteine in Hannover verlegt
Am Mittwoch, 26. September 2018, wird in Hannover eine weitere Verlegung von Stolpersteinen stattfinden, mit denen an in der Zeit des Hitlerfaschismus verfolgte Menschen erinnert wird. Geplant sind 20 Gedenksteine in 9 Stadtbezirken. Damit wären vom Kölner Initiator der Aktion, Gunter Demnig, allein im Stadtgebiet Hannovers mehr als 400 Steine für Opfer des Holocaust verlegt worden, insgesamt mehr als 60.000 in 22 Ländern.
An wen werden die Stolpersteine in Hannover erinnern?
- Iko und Sophie Tennenbaum (Callinstr. 2)
- Hedwig und Josef Kirchheimer (Königsworther Str. 10)
- Karl Wrampe (Egestorffstr. 14)
- Basche und Isaak Josef Klein (Goldener Winkel 2)
- Clara und Hugo Dahlheim (Bandelstr. 7)
- Gertrud und Paula Dahlheim, sowie für Meta Zacharias, geb. Dahlheim (Rehbergstr. 1)
- Maria Kleeberg (Wissmannstr. 11)
- Martin Frommhold (Kirchröder Str. 18)
- Dr. med. Elisabeth Müller (Lavesstr. 64)
- Ida und Dr. Hans Dahlheim (Königstr. 5)
- Toni Kreutzmann (Lister Meile 77-79)
- Alice und Hermann Werblowski (Kopernikusstr. 1/Ecke Engelbosteler Damm)
Die Kinderärztin Dr. med. Elisabeth Müller unterhielt ihre Praxis in der Lavesstr. 64 bis Mitte 1933; nach der Entziehung der Kassenzulassung war sie gezwungen, sie zu schließen. Die Ärztin ging in die Schweiz und arbeitete zunächst an der "Pepinière" in Genf. 1935 gründete sie ein Heim für jüdische Kinder im badischen Bollschweil, bevor sie 1939 nach Hannover zurückkehrte und eine Tätigkeit als Oberin am Jüdischen Krankenhaus übernahm.
Am 23. Juli 1942 wurde Dr. Elisabeth Müller mit den Ärzten, Pflegekräften, Patienten und Bewohnern des Jüdischen Krankenhauses nach Theresienstadt deportiert. Es ist überliefert - wie in einer Veröffentlichung der Ärztekammer Niedersachsen zu lesen ist -, daß sie in Theresienstadt als Oberschwester auf einer Krankenstation tätig war. Im Oktober 1944 wurde sie von Theresienstadt nach Auschwitz verschleppt und ermordet.
"Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist."
Weitere Informationen: www.hannover.de/Kultur-Freizeit/Architektur-Geschichte/Erinnerungskultur/; www.stolpersteine.eu/
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Symposium "Personelle Kontinuitäten in der Psychiatrie Niedersachsens nach 1945"
In Niedersachsen waren nach 1945 auch Ärztinnen und Ärzte tätig, die im Nationalsozialismus direkt oder indirekt an der Ermordung von Kindern und Erwachsenen mit psychischen Erkrankungen und geistigen Behinderungen beteiligt waren.
Psychiater wie Willi Baumert, Leiter der zur Ermordung von minderjährigen Patienten bestimmten "Kinderfachabteilung" in Lüneburg, und Ernst Meumann, Direktor der als Zwischenstation zur "Euthanasie“-Gasmordanstalt Bernburg/Saale dienenden Heil- und Pflegeanstalt Königslutter, konnten nach Kriegsende ihre Karrieren im niedersächsischen Landesdienst fortsetzen.
Weitere Hauptverantwortliche, Täterinnen und Täter der "Euthanasie"-Morde an Erwachsenen und Kindern kamen in den 1950er Jahren an den niedersächsischen Landeskrankenhäusern in leitende Positionen oder konnten relativ ungestört in niedergelassener Praxis arbeiten.
So war Prof. Dr. med. Hans Heinze, einer der Protagonisten des Mordes an behinderten und psychisch kranken Kindern im Nationalsozialismus, ab 1954 als Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Wunstorf tätig und Prof. Dr. med. Gerhard Kloos, für die Ermordung von Kindern und Tuberkulosekranken in der thüringischen Landesheilanstalt Stadtroda verantwortlich, übernahm die Leitung der Heil- und Pflegeanstalt Göttingen. Dr. med. Klaus Endruweit, ab 1940 als Arzt in der NS-Tötungsanstalt Sonnenstein im Einsatz, eröffnete am 1. Juli 1946 eine Arztpraxis in Bettrum im Landkreis Hildesheim und war im Vorstand mehrerer ärztlicher Körperschaften aktiv.
Das Symposium "Personelle Kontinuitäten in der Psychiatrie Niedersachsens nach 1945" präsentiert die Ergebnisse des vom Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung in Auftrag gegebenen Forschungsberichts "Personelle Kontinuitäten in der Psychiatrie Niedersachsens nach 1945", vorgetragen von Dr. phil. Christof Beyer vom Institut für Geschichte, Ethik und Philosophie der Medizin der Medizinische Hochschule Hannover (MHH). Der Referent hat reichlich vorgearbeitet: Unter anderem thematisierte er in der Broschüre "Tradition und Transformation. Personelle und politische Kontinuitäten in der Medizin der Nachkriegszeit" (Hannover 2014) "Psychiatrisches Handeln in der Provinz Hannover zwischen 'Drittem Reich' und Bundesrepublik".
Solche Kontinuitäten, eben juristische, professions- und gesundheitspolitische Bedingungen, die zur scheinbar nahtlosen Reintegration von Täterinnen und Tätern nationalsozialistischer Medizinverbrechen in die Gesundheitsversorgung in Niedersachsen und in der Bundesrepublik geführt haben, werden sicher Gegenstand des von PD Dr. phil. Heiko Stoff (MHH) moderierten Abschlusspodiums der Veranstaltung sein, zu der sich Sozialministerin Dr. rer.nat. Carola Reimann zu einem Grußwort angesagt hat.
Das Symposium findet am Montag, 4. Juni 2018 (16.00 bis 19.00 Uhr) im Hörsaal H der Medizinischen Hochschule Hannover statt. Anmeldungen per E-Mail bei
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DADA siegt! Schon wieder!
Ein historisches Motto greift eine Veranstaltung am 1. September in Köln auf: "DADA siegt!" Geplant ist eine "Dada Soirée: Köln Dada und Berlin Dada - und mittendrin Kurt Schwitters mit 'MERZ'", die im MAKK - Museum für Angewandte Kunst Köln, An der Rechtschule 7, Großer Vortragssaal stattfindet (19.00 Uhr, Eintritt frei). Auf dem Programm stehen - so heisst es in der Ankündigung - "Poesie, Manifeste, Beschimpfungen, Musik, Erläuterungen, kurze Stücke" und versichert wird ein "anregender, vergnüglicher und keinesfalls gemütlicher Abend". Konzipiert und moderiert wird die Session von Prof. Dr. phil. Michael Erlhoff, der dabei "wesentlich unterstützt" wird von Dj Fangkiebassbeton, den Schauspielerinnen Leni Geyer und Lou Strenger und den Schauspielern Janis Kuhnt und Justus Maier.
In der Einladung zur Veranstaltung heisst es: "Zur Geschichte der Beziehung von Preußen und dem Rheinland gehört unabdingbar Dada. Gewiss, Dada entstand 1916 in Zürich und bewegte sich quer durch Europa, aber richtig manifest artikulierte es sich um 1920 in Köln (vor allem mit Max Ernst, Johannes Theodor Baargeld, Jean Arp) und in Berlin (Raoul Hausmann, Johannes Baader, Richard Hülsenbeck, George Grosz, John Heartfield). Also in jenen beiden Städten lebhafter Kultur und gesellschaftlicher Auseinandersetzungen. Dort in Berlin sehr selbstbewusst und politisch, [...] in Köln etwas zaghafter, vielleicht experimenteller und nicht so nachhaltig - und auf halbem Weg dazwischen in Hannover tummelte sich noch Kurt Schwitters. Auf jeden Fall aber veränderte Dada den Blick auf Kunst, Poesie, Musik und Gesellschaft und entwickelte völlig neue Formen der künstlerischen und auch der politischen Artikulation. Dada rüttelte an den Grundfesten von Gesellschaft und Kultur, kritisierte radikal unsinnige Ordnung und entwarf lebendige Perspektiven."
Wenn ich es recht übersehe (die DADA-Experten werden sicher mehr wissen!) nimmt das Motto der Veranstaltung auf verschiedene historisch verbürgte Aktivitäten Bezug:
- Den "Dada-Vorfrühling" 1920 in Köln (In der Ausstellung im "Brauhaus Winter" waren Werke von Heinrich Hoerle, Francis Picabia und Louise Straus-Ernst zu sehen. Die Empörung des Publikums war groß, und viele Kunstwerke sollen zerstört und gleich wieder durch neue ersetzt worden sein. Auch soll neben einer Plastik von Max Ernst ein Hammer zu diesem Zweck bereit gelegen haben. Der polizeilichen Schließung der Ausstellung wegen angeblicher Pornographie folgte - wegen Mangel an Beweisen - die baldige Wiedereröffnung in der Schildergasse 37. Diesen Vorfall feierten die Veranstalter als Sieg, den sie auch auf dem neuen Ausstellungsplakat verkündeten, nicht ohne den Hinweis, dass sie für "Ruhe und Orden" seien.),
- die "Erste Internationale Dada-Messe" 1920 in Berlin (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Erste_Internationale_Dada-Messe),
- eine Arbeit von Raoul Hausmann ("Der Geist unserer Zeit") von 1920 (vgl. https://utopiadystopiawwi.wordpress.com/dada/raoul-hausmann/the-spirit-of-our-time/hausmann-dada-siegt-1920/) und
- die gleichnamige Monographie von Richard Huelsenbeck, 1920 erschienen im Malik-Verlag (vgl. http://sdrc.lib.uiowa.edu/dada/Dada_siegt/pages/000cover.htm).
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Reunion in Ascona - Frieda und Otto Gross mit Ernst Frick
"Mein Sohn hat sich im Jahre 1903 mit der Tochter des im Frühjahre 1911 verstorbenen Grazer Advokaten Dr. Alois Schloffer, namens Frieda vermählt und entspross diesem Bunde ein nunmehr 5-jähriges Söhnchen Peter, der gegenwärtig bei seiner Mutter ist. Meine Schwiegertochter ist ebenfalls eine exaltierte, wenn auch hochintelligente Frau, huldigt ebenso den anarchistischen Ideen wie mein Sohn. Die beiden Ehegatten leben seit einer Reihe von Jahren faktisch getrennt, ohne jedoch gerichtlich geschieden zu sein. Hieraus erklärt sich folgendes: Da mein Sohn seine Frau gemäss seiner Lebensanschauungen schalten und walten liess wie sie wollte, trennten sie sich und meine Schwiegertochter lernte unter vielen anderen Männern auch einen Schweizer Anarchisten namens Ernst Frick kennen, mit dem sie ein Liebesverhältnis einging oder besser gesagt, nach anarchistischen Anschauungen in freier Ehe lebte."
Mit wenig liebevollen Worte unterstreicht Prof. Dr. jur. Hanns Gross im November 1913 seine Überzeugung, dass die eben gegen seinen Sohn Otto verhängte Kuratel angesichts von dessen Lebenseinstellung und -verhältnissen eine "unbedingt notwendige Massnahme“ ist und führt uns die Protagonisten vor, die - gut 100 Jahre später - im Juni 2014 auch aus anderer Perspektive präsentiert werden sollen: Die IG Ernst Frick veranstaltet in Ascona, St. Gallen und Zürich eine Reihe von Veranstaltungen, bei denen zwei Monografien vorgestellt werden, die sich mit der Biografie von Frieda Gross und Ernst Frick auseinandersetzen sowie Arbeiten auf Papier von Ernst Frick vorgestellt werden.
- Esther Bertschinger-Joos: Frieda Gross. Ihr Leben und ihre Briefe an Else Jaffé. Verlag LiteraturWissenschaft.de, Marburg
- Esther Bertschinger-Joos / Richard Butz: Ernst Frick. Zürich - Ascona, Monte Verità. Anarchist, Künstler, Forscher. Limmat Verlag, Zürich
Ascona, 13. Juni 2014, 18.00 Uhr, Fondazione Monte Verita, Via Collina 84, CH-6612 Ascona, www.monteverita.org
Zürich, 21. Juni 2014, 17.00 Uhr, Biblion Antiquariat und Galerie, Kirchgasse 40, CH-8001 Zürich
St. Gallen, 25. Juni 2014, 19.30 Uhr, Buchhandlung Comedia, Katharinengasse 20, CH-9000 St. Gallen, www.comedia-sg.ch
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In Transit - Der Blick der Anderen
"In Transit" startet am 17. Oktober 2012 und stellt sich der Herausforderung, Fotografie als dokumentarische, künstlerische und politische Beschreibung von Welt zu verstehen und als partizipatorisches Projekt in einem öffentlichen In-Transit-Raum am Berliner Bahnhof Ostkreuz zu präsentieren.
"Der Blick der Anderen" wird in einen Diskurs über unsere gegenwärtige(n) Gesellschaft(en) gestellt, indem Jaana Prüss Bilder professionell und künstlerisch arbeitender Fotografen mit denen von Mitbürgern, Passanten, Besuchern des Monats der Fotografie - die sich an einem Open Call beteiligen -, in einen "Dialog der Blicke" bringt. "Wir kleben", so schreibt mir Erik Schiemann, der an der Aktion beteiligt ist, "unsere Bilder wie Poster gegen die Bauzähne, 120 laufende Meter."
Die Ausstellung präsentiert Sichtweisen auf aktuelle gesellschaftliche Fragen des Wandels und Situationen der Transformation. Sie zeigt in ihrer Heterogenität Perspektiven zu Individuum und Gesellschaft, Provisorien, Commons, Mobilität, Migration, Flucht und stellt Fragen zur Suche nach Zuflucht und Verortung, nach Aufgaben, Arbeit, Sinn und neuen Strategien des 'Überlebens'. Jede/r ist eingeladen sich daran selbst aktiv und bildnerisch zu beteiligen.
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17. März: Heide Soltau erinnert an den Geburtstag von Otto Gross
Heide Soltau erinnert in WDR3 an den Geburtstag von Otto Gross am 17. März 1877: "Der radikale Freiheitssucher Otto Gross zählt zu den verkannten Köpfen der Moderne. Der charismatische Mann und kreative Denker beeinflusste Künstler, Lebensreformer und Anarchisten zu Beginn des 20. Jahrhunderts."
Sendezeit: Samstag, 17.03.12 um 17:45 Uhr in der Sendereihe "Zeitzeichen". NDRInfo sendet das Feature am gleichen Tag um 19:05 Uhr.
Podcast: www1.wdr.de/
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Die Genossen Piraten - Eine Kaperfahrt zur Weltrevolution / Vortrag in Hannover
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Otto Gross goes Hollywood: David Cronenbergs "A Dangerous Method" 2011 im Kino
2007 feierte das Stück "Die Methode" als deutsche Fassung von Christopher Hamptons "The Talking Cure", das eine wichtige Episode in der Geschichte der Psychoanalyse thematisiert, im Hamburger Ernst Deutsch Theater Premiere. Der dem breiten Publikum vor allem als Synchronsprecher bekannte Christian Brückner war in der Rolle des Sigmund Freud zu sehen. Den Auftritt von Otto Gross im Stück kommentierte seinerzeit Klaus Witzeling als einen Höhepunkt der Aufführung: "Als die Sexualität gegen Ende des ersten Aktes in Gestalt des hemmungslos Drogen und Frauen konsumierenden Genie-Psychiaters Otto Gross (auch ein verführerisch fiedelnder Geiger: Armin Schlagwein) ins Spiel kommt, erhält das zunächst fakten- und fallstudienlastige Stück Spannung und Schwung. Der brave Ehemann Jung erkennt seine unterdrückten Gefühle für die Patientin Spielrein, eine hübsche junge russische Jüdin und beginnt mit ihr eine Affäre." (Hamburger Abendblatt, 13, Januar 2007) Unter den geladenen Gästen damals auch Otto Gross' Tochter Sophie Templer-Kuh.
Der Hintergrund des nun von David Cronenberg verfilmten Stoffes ist bekannt: Carl Gustav Jung (im Film von Michael Fassbender dargestellt), Oberarzt am Züricher Burghölzli, ist 1907 infiziert von den Ideen des Otto Gross, wie er Arzt und Psychoanalytiker. An Sigmund Freud (Viggo Mortensen, zunächst war Christoph Waltz vorgesehen) schreibt er am 25. September: "Dr. Groß hat mir gesagt, er habe die Übertragung auf den Arzt gleich wieder weg, da er die Leute zu Sexualimmoralisten mache." Im Mai 1908 wird Gross (in Cronenbergs Film Vincent Cassel), der sich zunächst von Freud behandeln lassen wollte, Patient von Jung, doch schon am 17. Juni 1908 wird die Analyse jäh beendet, Gross flüchtet aus der Klinik und wird sich späer beklagen, dass Jung ihm seine Ideen gestohlen habe.
Zu Beginn des Jahres 1909 wird die Russin Sabina Spielrein (in Cronenbergs Film von Keira Knightley dargestellt) zum zweiten Mal Patientin in der Zürcher Klinik und von Jung. Der beginnt eine Beziehung mit ihr, die bald darauf Gesprächsthema in Medizinerkreisen wird. Sigmund Freud schreibt am 9. März 1909 an Jung: "Von jener Patientin, die Sie die neurotische Dankbarkeit der Verschmähten kennengelehrt hat, ist eine Kunde auch zu mir gedrungen. Muthmann sprach bei seinem Besuch von einer Dame, die sich ihm als Ihre Geliebte vorgestellt hat und meinte, es würde ihm nur imponieren, wenn Sie sich soviel Freiheit bewahrt hätten."
Jung bricht die Beziehung ab, Sabina Spielrein wendet sich an Freud. "Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir eine kleine Audienz erteilen könnten! Es handelt sich da um eine für mich äußerst wichtige Angelegenheit, welche zu vernehmen Sie wahrscheinlich interessieren wird." Der aber vertröstet sie, so dass sie später resigniert in ihrem Tagebuch notiert: "Die reine Freundschaft verträgt der Mann auf die Dauer nicht. Bin ich gut zu ihm - dann will er Liebe haben, bin ich stets kalt - dann verleidet ihm die Geschichte."
Sabina Spielrein wird Psychoanalytikerin und Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung. 1911 trägt sie in Freuds Mittwochs-Gesellschaft vor. Freud an Jung: "Die Spielrein hat gestern ein Kapitel aus ihrer Arbeit vorgetragen (bald hätte ich das Ihrer groß geschrieben), woran sich eine lehrreiche Diskussion schloß. Mir fielen einige Formulierungen gegen Ihre (jetzt ernsthaft) Arbeitsweise in der Mythologie ein, die ich der Kleinen auch vorbrachte. Sie ist übrigens sehr nett, und ich fange an zu begreifen." Jung antwortet: "Die Kleine verlangte stets sehr viel von mir. Jedoch ist sie es wert. Es freut mich, dass Sie auch nicht schlimm von ihr denken." Und wieder Freud: "Sie ist sehr gescheit; alles, was sie sagt, hat Sinn, ihr Destruktionstrieb ist mir nicht sehr sympathisch, da ich ihn für persönlich bedingt halte. Sie scheint mehr Ambivalenz, als normal ist, zu führen."
Später kehrt Sabina Spielrein in ihre Heimat zurück, praktiziert als Ärztin - und endet tragisch. Am 11./12. August 1942 werden die in Rostow am Don lebenden Juden in einem Schulgebäude von den deutschen Besatzern zusammengetrieben und später in der Schlangenschlucht erschossen. Unter ihnen sind auch die siebenundfünfzigjährige Sabina Spielrein und ihre beiden Töchter Renata, 29, und Eva, 16. Als letzte Zeitzeugin erinnert sich Nina Pawlowa an Sabina Spielrein: "Sie war, wie alle ringsum fanden, furchtbar unpraktisch. Anziehen tat sie nur, was irgend jemand ihr schenkte. Sie sah aus wie ein altes Weiblein, obwohl sie es den Jahren nach gar nicht war. Sie ging gebeugt, in einem alten, schwarzen Rock, der bis zur Erde reichte. Dazu trug sie Spangenschuhe, Marke 'Herbst des Lebens’, wie man heute sagen würde, ich glaube, die hatte sie noch aus Berlin. Meine Großmutter zog sich so an. Sie war vom Leben mitgenommen, das sah man." (Alexander Etkind, Eros des Unmöglichen. Leipzig 1996, S. 193)
Otto Gross wird sowohl Jung als auch Freud noch eine Weile beschäftigen. Am 15. Februar 1918 berichtet Sándor Ferenczi aus Budapest im Brief an Sigmund Freud: "Er wird noch als 'Golem' bald da, bald dort auftauchen." Schon zwei Jahre später ist Gross tot. Er stirbt am 13. Februar 1920 an einer Lungenentzündung und möglicherweise Entzugserscheinungen in der Privat-, Heil- und Pflegeanstalt Dr. Gustav Scholinus in Pankow.
Man darf gespannt sein, was David Cronenberg aus dem Stoff gemacht hat, beschreibt doch der Autor Hampton die unterschiedlichen psychotherapeutischen Ansätze zu Beginnn des vorigen Jahrhunderts und ihre Wirkungen, zeigt deutlich die Problematiken auf, die sich in diesem Kontext für die Arzt-Patient-Beziehung ergeben, verweist auf Missbrauch in der Therapie und problematisiert patriarchalische Strukturen. Der Film "A Dangerous Method" soll 2011 in die Kinos kommen.
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