Otto Gross an Frieda Weekley
Meine Geliebte, Dir konnte der Gedanke kommen, in meiner Liebe sei etwas anders geworden - seltsame Möglichkeit ! Dass man sich doch so nah sein kann und so Verkehrtes über Einander denken ! Du heissgeliebte Du - - siehst Du, ich muss Dich um Nachsicht bitten, die Morphium- Abstinenz legt eine eiserne Klammer um Kopf und Herz - nichts, nichts von Allem findet Aus- druck, was in mir lebt und drängt - - nicht eine armselige halbe Stunde, in der ich mich aussprechen könnte, in der ich Dir nur einen Gruss zuschicken könnte, in dem von meiner Liebe etwas leben würde - - - - Hab' des- halb Nachsicht, Geliebte : siehst Du, ich thue etwas mit dieser Cur was allgemein als sozusagen un- möglich gilt - es habe Niemand dazu die Willenskraft, so heisst es fast in allen Büchern etc. Und nicht war [vielmehr: wahr], das
wäre doch allzu grausam, wenn ich gerade dafür, dass ich das durchsetze - gerade dafür jetzt bei Dir verlieren sollte ! Siehst Du, ich besitze Morphium genug und brauche nur etwas davon zu nehmen, dann löst sich dieser Bann und dann kehrt die Fähigkeit des Ausdrucks wieder : dann kann ich Dir das richtige Bild davon geben, wie meine Seele sich in heisser Liebe Dir aufmachen will - - - ich will's Dir lieber später sagen, dann bei unserem Wieder- sehen - - - einstweilen hör' ich auf zu schreiben. Geliebte, Du bist ja nicht in meiner Lage : schreib Du mir ! Schreib' mir viel von Dir - Du schenkst Segen damit, unvergleichlichen Segen - ich liebe Dich ja so, wie Du's noch lange nicht weisst - - - Dein Otto Adresse: München Türkenstr. 81/II
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