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Name:
Schellenberg, Alice
Geboren:
1914, Kiskunhalas/Ungarn
Bio:

Ihr Vater war Ungar, ihre Mutter Deutsche. 1917 trennten sich die Eltern und die Mutter ging mit ihren beiden Kindern nach Berlin. Alice besuchte nach der Mittelschule eine "Frauenschule" und lernte Hauswirtschaft und Kindererziehung mit dem Ziel, Kindergärtnerin zu werden. 1930 freundete sie sich mit dem jungen Kommunisten Paul Schellenberg an, der sich nach 1933 am illegalen Widerstandskampf gegen die Nazidiktatur beteiligte. 1934 musste ihr Lebensgefährte in die UdSSR fliehen. Er wurde in die Hauptstadt der Sowjetrepublik der Wolgadeutschen Engels geschickt und arbeitete dort als Korrektor bei einer deutschsprachigen Zeitung. Ein Jahr später folgte ihm Alice und nahm wie Paul die sowjetische Staatsbürgerschaft an. Genaue Vorstellungen, was sie erwartete hatte Alice nicht. Sie dachte einfach "man kann auch dort arbeiten und ein glückliches Leben führen". Ihre 1935 und 1936 geborenen Kinder starben tragischer Weise nach wenigen Monaten; auch sie selbst erkrankte schwer. Nach ihrer Genesung arbeitete Alice als Kindergärtnerin. Im Mai 1936 verhaftete das NKWD Paul Schellenberg. Sie selbst wurde im September 1937 festgenommen und als "Mitglied der Familie eines Verräters der Heimat" zu fünf Jahren "Besserungsarbeitslager" verurteilt. Diese verbrachte sie in einem besonderen Frauenlager im Gebiet Akmolinsk, in der Sowjetrepublik Kasachstan. Sie leistete Zwangsarbeit im Bauwesen und in der Landwirtschaft. Wegen "besonderer Verordnungen" der sowjetischen Regierung wurden während des Krieges keine politischen Gefangenen entlassen. Doch auch danach blieb Alice Monat für Monat weiter in Haft, bis sie endlich nach neun Jahren entlassen wurde. Allerdings führte ihr Weg nicht in die Freiheit, sondern in die lebenslängliche Verbannung nach Karaganda. Alice sah sich gezwungen, eine Zweckgemeinschaft mit einem russischen Verbannten einzugehen, um so ihr weiteres Leben abzusichern. Zwischen 1947 und 1956 brachte sie drei Kinder zur Welt. Nach langen Bemühungen durfte die 44-Jährige mit ihren Kindern1958 endlich die UdSSR verlassen und in die DDR übersiedeln. Zuvor war Alice Schellenberg von einem sowjetischen Gericht juristisch rehabilitiert worden; sie erfuhr auch vom Tode ihres Ehemannes Paul Schellenberg in sowjetischer Haft. Alice lebte in einer Kleinstadt südlich Berlins und arbeitete bis zu ihrer Pensionierung 1965 als Übersetzerin technischer Fachzeitschriften für die Industrie. Im Jahr 2009 verstarb Alice Schellenberg.

Web:
www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/de/recherche/mediathek/frauen-im-gulag-innenansichten-des-lagers-akmolinsk
Literatur:

Stark, Meinhard: "Ich muß sagen, wie es war". Deutsche Frauen des GULag. Berlin: Metropol, 1999, bes. S. 267-268

Hilfestellung bei der Auflösung verwendeter Abkürzungen:
arrow Verzeichnis der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur

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