Otto Gross an Frieda Weekley
II Meine Geliebte, vor Allem tausend Dank für Deinen prachtvollen letzten Brief - dafür, dass Du mich immer von neuem diese verschwenderische Fülle Deiner Seele schauen lässt - Du selber hast wohl keine Ahnung davon, wie genial Du bist, wie wunderbar Kraft und Wärme so elementar als Allem hervorquillt, dem Du von Deinem Leben eingehaucht hast - - - es ist, als strömte mir aus Deinem Brief die Wärme Deines Körpers zu, so süss und kraftvoll, wie eine Welle beglückender befreiender Sinnlichkeit - - wie Du sie lebst und schenkst, Du in Freuden Geliebte - - - Du, dass unsere Hoffnung sich nicht erfüllt hat, das ist mir sehr schwer - ich habe erst begriffen, wie ich mich gefreut hatte - nicht nur für Dich - aus einer unmittelbaren Sehnsucht, dass solche Schönheit der Liebe fruchtbar würde - - - die Sehnsucht lebt und drängt nach Er- füllung - lass ihr Erfüllung werden, Ge- liebte - - wie schön es doch ist, nun noch einmal in dieser Sehnsucht, in diesem Willen sich lieben zu dürfen - - - - - - -
Ich habe eine heisse und verlangende Sehnsucht darnach, dass unsere Liebe fruchtbar werden soll - ich sehne mich darnach als einer lebenden Verkörperung für dieses unaussprechlich grosse Gefühl des jubelnden und stolzen Ja-Sagens zu dieser Liebe - für meine stolze Freude an dieser Liebe. Ich fühle einen [1] heissen Wunsch, dass Alles, Alles was wir in unserer Liebe je erleben - dass Alles irgend eine dauernde Gestalt bekomen, irgendwie weiterleben soll - jedes Bewusstwerden unserer innersten Seelenliebe und jeder tolle Kuss - - - Ich bin so überreich an Liebe - so unerhört viel wird mir geschenkt vom Herrlichsten - ich fühle das als eine große Verantwortung, das Beste, das ich vermag, zu leisten und zu sein - Du Geliebte, Du warst immer so gut zu mir, wenn ich um Frieda [2] in Sorgen war - denk Dir, es ist jetzt zwischen ihr und mir so gut wie noch nie. Sie ist jetzt in Graz und schreibt mir, dass sie hier in München und in der Freiheit den Weg zu sich selber gefunden hat und damit den Weg zu mir - - - -
2. Das ist jetzt die Erfüllung der unaufhörlichen Sehnsucht der ganzen Jahre - Erfüllung und neuer Anfang - ich habe sie ja erst gewonnen - - - - Du, neulich habe ich an Else [3] geschrieben - ich hatte gerade ein wenig Sorge um sie und schrieb ihr davon und fragte auch, ob ich wohl nie mehr Angst haben brauchte, sie könnte wegen meiner Liebe zu Dir Etwas gegen mich [? Wort unleserlich] - und heute schreibt sie mir in einem frohen und son- nigen Brief : "um mich brauchst du nie mehr Angst zu haben - ich weiss, was wir Einander sind" - - - Du, Geliebte, es ist mir, als giengen an allen Horizonten Sonnen auf. -
1) Das vorstehende Wort wurde von O.G. nachträglich in den Text eingefügt 2) Gemeint ist Gross' Ehefrau Frieda, geb. Schloffer 3) Gemeint ist Frieda Weekley's Schwester Else Jaffé, geb. von Richthofen
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