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Name:
Haenisch, Walter
Geboren:
11. Dezember 1906, Dortmund
Bio:
Walter Haenisch wurde 1906 in Dortmund als Sohn des damaligen Chefredakteurs der Dortmunder Sozialdemokratischen Arbeiterzeitung Konrad Haenisch und Wilhelmine, geb. Bölling, geboren. Haenisch besuchte bis 1922 die Realschule und bis 1925 eine Reformschule in Letzlingen, die Freie Schul- und Werkgemeinschaft, unter der Leitung von Bernhard Uffrecht. Haenisch wurde 1922 Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ), aber 1924 wegen "oppositioneller Betätigung" ausgeschlossen. Nach dem plötzlichen Tode seines Vaters 1925, der fünf Kinder, die noch in der Ausbildung waren, hinterließ, legte Haenisch sein Abitur an der legendären, ab 1921 von Fritz Karsen aufgebauten und geleiteten späteren Karl-Marx-Schule in Neukölln (bis 1929 Kaiser-Friedrich-Realgymnasium, heute Ernst-Abbe-Oberschule (und wieder Gymnasium), der ersten deutschen Gesamtschule, ab und studierte Germanistik und Anglistik in Berlin, Göttingen, Frankfurt und Reading (England) und in Frankreich. 1931 musste er sein Studium aus finanziellen Gründen abbrechen. Besonders in England beschäftigte sich Haenisch intensiv mit dem Werk von Karl Marx und Friedrich Engels und studierte zum Teil deren Quellen genau wie Marx selber in der British Library. In dieser Zeit näherte sich Haenisch allmählich der kommunistischen Bewegung. 1927 trat er als Student in Göttingen in die Rote Hilfe ein, sowie in die Antiimperialistische Liga. KPD-Mitglied wurde er erst im Januar 1931, und war bis zu seiner Ausreise nach Moskau Anfang 1932 als Organisationsleiter der Straßenzelle in Steglitz aktiv, sowie als freier Mitarbeiter und Redakteur verschiedener kommunistischer Zeitungen. Anfang 1932 ging er mit seiner Frau Gabriele, geb. Bräuning, nach Moskau, wo beide am Marx-Engels-Institut arbeiteten. Haenisch hatte schon in England und Berlin intensive Studien des Werkes von Karl Marx und Engels betrieben, in Moskau arbeitete er u. a. an einer Volksausgabe des Kapitals, einer Chronik über Marx sowie an einem MEGA-Band über die Erste Internationale. Aufgrund nicht linienkonformer Ansichten über die Erste Internationale wurde Haenisch von der Parteiorganisation des Instituts kritisiert und am 15. April 1935, offiziell wegen "Betriebseinschränkungen", wie seine Frau Gabriele entlassen. Von September bis Dezember 1935 arbeitete Haenisch in der Redaktion der deutschsprachigen Zeitung "Das Neue Dorf" in Charkow. Daneben verfasste er mehrere Aufsätze für die deutschsprachige Moskauer Zeitschrift Internationale Literatur, insbesondere in den Bänden 6 und 7, sowie einen Aufsatz für die damals neu gegründete, in New York City im Umfeld der New School for Social Research herausgegebene marxistische Zeitschrift "Science and Society" in englischer Sprache. In Paris erschien eine Schrift in französischer Sprache. Kurzzeitig überlegte Haenisch, sich als Freiwilliger zu den Internationalen Brigaden des Spanischen Bürgerkrieges wie der Freund Erich Weinert zu melden, verwarf diesen Gedanken aber mit Rücksicht auf seine Familie. 1936/37 hatte Haenisch mit zwei Essays über Marx und Heine in "Internationale Literatur" Aufmerksamkeit erregt, 1937 ergab sich daraus ein Filmprojekt über Heinrich Heine mit dem Drehbuchautor und Theaterregisseur Heinz Goldberg, der extra für dieses Projekt aus Wien nach Moskau angereist war. Im Freundeskreis der Haenischs wurden in dieser Zeit immer mehr Menschen denunziert und verhaftet, es war der Beginn der Großen Säuberung. Anfang 1938 begann Haenisch eine Tätigkeit als Redakteur bei der deutschsprachigen "Deutschen Zentral-Zeitung" (DZZ), dem deutschsprachigen Zentralorgan der Komintern, bevor er am 11. März 1938 selber in seiner Wohnung (Moskau, Ostrovskij pereulok 22/4) verhaftet wurde. Ein Essay über den britischen Dichter Percy Shelley, der kurz vor seiner Verhaftung in "Das Wort" erschienen war, fand international in Emigrantenkreisen große Beachtung und wurde auch von Bertolt Brecht und Walter Benjamin bei ihrer berühmten Begegnung in Svendborg (Dänemark) im Juni 1938 diskutiert. Just zu dem Zeitpunkt, als Brecht und Benjamin in Dänemark über Haenischs Shelley-Artikel diskutierten, wurde Haenisch am 17. Mai von einem NKWD-Gericht im Zuge der Deutschen Operation des NKWD wegen "Spionage" (Art. 58 StGB der RSFSR) zum Tode verurteilt. Am 16. Juni 1938 wurde er auf dem Erschießungsplatz von Butowo hingerichtet und in einem Massengrab verscharrt. Rehabilitiert am 28. Juli 1956. Bestattungsort Butowo. Sein Sohn Alexander (* 3. Oktober 1932 in Moskau) starb 1942 an Hirnhautentzündung in Fergana, Usbekische SSR, wohin er mit seiner Mutter und zahlreichen deutschen Emigranten nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion zwangsumgesiedelt worden war.
Web:
de.wikipedia.org/wiki/Walter_Haenisch
Literatur:

Stammberger, Gabriele & Michael Peschke: Gut angekommen - Moskau. Das Exil der Gabriele Stammberger 1932-1954. Berlin: Basisdruck Verl., 1999

Hilfestellung bei der Auflösung verwendeter Abkürzungen:
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