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Datum:
16. 5. 1973
Ereignis:
Friedel Jaffé schreibt an Marianne v. Eckardt: "Ja so sprechen wir von Else als gewesen – in dieser Sache das Gemässe. Vor allem: the ‘tell a lie and stick to it’ war wohl eine ihrer Verhaltungsmassregeln, aber doch nur das, als Lebens-Devise galt grösseres – sagen wir: dem Leben ja zu sagen. Ex oriente lux wählte sie einmal – fragend. Ihre Entscheidung die black box doch nicht verbrennen zu lassen und dann sogar anfangen sie auszuteilen, das war wohl zum Teil Alterserscheinung, zum Teil wie Du sagst Folge der vermaledeiten Frieda-Tedlock-Lucas Ergüsse – aber schliesslich vielleicht doch vorbestimmt, denn sonst hätte die box ja längst verschwinden können, in den damaligen Umständen, und im Kult der eigenen, der erwählten Seelen waren das bedeutende Erlebnisse. Was das nun uns betrifft: Dass es Dich, wie Du sagst, irritiert oder vielleicht aufstört und auch erbittert, seit langem also und immer wieder und jetzt besonders, das versteh ich, und das versteht vor allem auch die Marandl ganz und wir würdigen es. Der Friedel hat von all dem nicht gewusst, wenn auch unvermeidlich geahnt, aber nie nachgeforscht, auch in sich nicht, wenn auch die Vaterschaft von Peter offensichtlich in Frage stand. Zwischen Mutter und Sohn kann solcherlei nicht ausgesprochen werden, kann nicht bestehen. Der Völker (Du musst mit Deiner Interpolation für den “Chirurgen” recht haben), war mir seit je im Untergrund unheimlich-unangenehm, aber bedeutend in der Erinnerung (Er machte doch wohl die Photos von uns beiden wo besonders mein Rücken so schwach, was er uns damals gesagt), – so stark doch, dass ich ihn im Lauf der letzten Jahrzehnte mindestens einmal der Mutter erwähnt habe während eines der Reminiszenzgespräche. Da nun wäre Gelegenheit gewesen, etwas zu sagen, wenn man wollte – aber man wollte sehr klar nicht. (Nicht dass ich etwa damals oder je den Völcker mit Else in solcher Verbindung gebracht hätte). Da mag nun - was denkst Du, Marianne? -- noch etwas mitgespielt haben. Vielleicht dachte sie auch dem Sohn zu ersparen, sich eingestehen zu müssen, dass in diesen Gross-Abenteuern des Lebens er halt doch ein armer Fisch (a poor fish) gewesen und geblieben, gegenüber der Dämonie der anderen Generation. (The poor fish, I can assure you, finds his little pond most interesting and rewarding.) Und der Sohn, Erzsohn, vertrat dazu ja auch, er sollte es, den altestamentalischen, den strengen Einschlag und vor diesen altherbrachten und durch lange Zeit geheiligten Wegen bückt man doch das Haupt. Altgeheiligte Wesen soll man respektieren. Der Hans, wie ich ihm, als grad Dein erster Brief uns beide hier antraf, zum erstenmal mit einer Frage über Peters Herkunft auftrat, war völlig unvorbereitet und betroffen. Also hab ich zur Zeit nicht vor, ihm die Lebensskizze oder Deinen Brief zu zeigen. Dank Dir aber, dass Du sie geschickt - mit gleichem Dank erwart ich noch das Buch das Green gab und Briefabschriften. Nun zur nötigen Entscheidung: ich wünsche, wünschte, dass Else’s erster und über lange Jahre wiederholter Auftrag befolgt werde: verbrennen. Aber falls Du anders entscheidest oder vielleicht schon gehandelt hast, dann ist das Kapitel damit abgeschlossen ... Dein Friedel Und die Camilla!”
Quellen:

Roth, Edgar Jaffé, Else von Richthofen and Their Children, New York, N.Y., 2012, S. 211

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